Kirche und Kommerz in unheiliger Ehe, von Besinnlichkeit keine Spur: Nessi Tausendschön kommt im Pantheon nicht wirklich in Weihnachtsstimmung. Trotz kunterbuntem Christbaumschmuck, Tannennadel-Duftbäumchen und nach Spekulatius duftendem Klopapier. Mist. Vielleicht eine Geschichte? Hilft bestimmt. Loriot. „Advent“. Untertitel: „Kannibalismus im Forsthaus“. Na toll. Jetzt ist zwar alles rot, aber nicht muckelig. Andererseits sind jene, die zu der Großkünstlerin und ihrem Begleiter Scharkus Minkel kommen, ohnehin nicht an Gefühlsduselei interessiert, sondern eher an prächtigen Pointen, abgedrehten Liedern und Momenten, die das Wort „gaga“ nur ansatzweise zu beschreiben vermag. All das liefert Nessi Tausendschön mit Wonne – und sorgt so für einen Weihnachtsfrustschutz-Abend der Extraklasse.
Normal ist bei der „Schabracke des Kabaretts“, wie sie von ihrem Schutzengel im Suff gerne mal bezeichnet wird, ohnehin nichts. Klassische Weihnachtslieder werden in neue Gewänder gesteckt,
vielleicht nicht aufgehübscht, aber zumindest interessant gemacht. „Lasst uns froh und munter sein“ mutiert so zu einem großartigen bulgarisch-türkischen Bauchtanzlied, „Jingle Bells“ zu einem
Rap-Song, einer Arie, einem Elektropop-Verschnitt, einer Death-Metal-Hymne und einem Reggae-Hit. Geht alles. Manchmal greift Nessi auch ganz tief in die Mottenkiste, holt Dieter Süverkrüps
Version von „Leise rieselt der Schnee“ hervor oder – in einem der wenigen wirklich besinnlichen Momente – Werner Bergengruens „Kaschubisches Weihnachtslied“. Dabei bewahrt die Diseuse selbst dann
Stil, wenn sie sich zur Kaspeuse macht, zeigt sich selbst bei einem total schrägen chinesischen Weihnachtslied oder dem abenteuerlich-abstrusen „Tannenzapfenreigen“ als brillante Sängerin an der
Seite eines virtuosen Pianisten. „Tur mir leid, dass wir ihnen all die schönen Weihnachtslieder zerhauen, aber es macht so einen Spaß“, sagt sie irgendwann. Stimmt.
Doch Nessi wäre nicht Nessi, wenn das alles wäre. Mal gibt es dezente Konsumkritik, mal eine Weihnachtsschrulle, dann wieder einen nicht ganz so überzeugenden Auftritt als Kasachin Ljudmilla, die
sich nach ihrer Heimat verzehrt und Trost in der Kühltruhe sucht. Einer der Höhepunkte des Abends war jedoch der Besuch des Tausendschönschen Schutzengels: Diese weinerliche, sich im Suff
suhlende Gestalt, die sich einfach mal auskotzen möchte und dabei versehentlich die ersten sieben Reihen weiht, darf mittlerweile in keinem Weihnachtsprogramm der Kölner Kabarettistin fehlen.
Festlich wird es dadurch zwar immer noch nicht – aber köstlich. Das reicht auch. Zumindest meistens. Abschließend kann man nur noch sagen: Tja. Und gut gemacht.
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