Das Intro ist entscheidend. Die ersten Töne eines jeden Lieds bestimmen, wie das Publikum im Palladium reagiert. Ob es die nächsten Minuten gut finden wird – oder einfach großartig. Ja, man ist wegen Slash hier, dem Ausnahme-Gitarristen, dem Saiten-Zauberer, dessen Stimme in seinem Instrument liegt und der mit seiner schwarzen Lockenmähne, der großen verspiegelten Sonnenbrille und dem Zylinder sowohl Ikone als auch Karikatur des Rock-Musikers ist. Aber es ist seine Vergangenheit mit Guns 'n' Roses, die die Fans interessiert. Die Gegenwart? Ist egal. Solo-Alben und selbst die Supergroup Velvet Revolver sind Nebensache, ohnehin nur Versuche, an den Sound der Gunners anzuknüpfen. Was zählt, sind die Klassiker. Jene Songs, die das Publikum eben an besagten ersten Tönen erkennt und bei denen die Begeisterung keine Grenzen kennt. Ob das Slash nun gerecht wird oder nicht.
Tatsächlich versucht der 49-Jährige seit seinem Ausstieg bei Guns 'n' Roses kontinuierlich, „Appetite For Destruction“ zu reproduzieren, jagt einem Ideal hinterher, dass er kaum erreichen kann,
auch wenn er ihm immer wieder recht nahe kommt. In Köln, dem zweiten und letzten Deutschland-Konzert seiner aktuellen Tour, klingen daher auch alle Songs irgendwie ähnlich, böse Zungen könnten
jetzt auch „austauschbar“ sagen. Kein Wunder: Slash hatte es nie nötig, sich zu ändern, sich neu zu erfinden, er macht einfach das, was er schon immer gemacht hat. Klingt halt so wie immer, auch
wenn mit dem bemerkenswerten „Beneath the Savage Sun“ vom aktuellen Album „World on Fire“ ein wenig kreative Abwechslung ins Spiel kommt. Dennoch sind es Titel wie „You could be mine“,
„Nighttrain“ oder „Mr. Brownstone“, die am besten ankommen. Zumal es dem exzellenten Sänger Myles Kennedy, der Slash nun schon seit fünf Jahren unterstützt, in seinen besten Momenten gelingt, den
energetischen, rauen, kraftvollen Ton von Axl Rose zu treffen und dabei doch er selbst zu bleiben (eine Fähigkeit, die Bassist Todd Kerns bei den beiden von ihm mit schrillem Organ dargebotenen
Liedern leider fehlt).
Slash stürzt sich derweil in ein umjubeltes Solo nach dem nächsten. Das ist es, was er kann und was er will. Einfach nur spielen. Bei „Rocket Queen“ übertreibt er es dann allerdings, jagt etwa 20
Minuten lang über die Saiten, ohne dabei auf den Punkt zu kommen. Hier dominiert Quantität über Qualität. Schade, eigentlich sollte Slash das nicht nötig haben. Dementsprechend ernüchtert scheint
das Publikum zu sein: Die folgenden drei Stücke können nicht wirklich zünden, schlagen sie doch in die selbe Kerbe. Selbst „Anastasia“ kommt trotz guter Ansätze nicht aus diesem einzwängenden
Gewand heraus, bleibt trotz Balladen-Intro, Flamenco-Solo und eingebauter Bach-Fuge zu sehr in der Musiksprache Slashs verhaftet, um ein echtes Aha-Erlebnis auszulösen. Erst als „Sweet Child of
Mine“ erklingt, ist die Welt wieder in Ordnung. Die Menge tobt. Genau darauf haben alle gewartet, die ganz großen Hits, die echten Gunners-Songs, die jeder kennt und jeder liebt. Ab jetzt wird
wieder richtig getanzt und gefeiert, wird Köln für die Fans zu „Paradise City“, dessen Hymne noch als Zugabe erklingt. Guns 'n' Slashes in Bestform. Alles andere ist wie gesagt Nebensache.
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