Ja ja, Türken haben es schwer. So ein hartes Leben. Da muss man einfach Mitleid haben. Und wenn nicht, fordert Özcan Cosar es eben ein. Der Publikumspreisträger des Prix Pantheon 2014 will in seinem Solo-Programm „Adam & Erdal – der Unzertrennliche“ aufklären, will Missverständnisse zwischen Türken und Deutschen vermindern, Spannungen abbauen, Klischees konterkarieren. Also muss offenbar dem aggressiven – Entschuldigung, temperamentvollen – Jugendlichen mit den rotzigen Ghettosprüchen der jammernde Jungkünstler entgegengestellt werden, der sich nach einem gelungenen Türkzorzismus im Namen der heiligen Angela und St. Stoiber endlich einen Kindheitstraum erfüllen und eine andere Nationalität annehmen konnte. Gut, früher wollte Cosar noch Italiener werden, auch Spanier war eine Perspektive, aber im Laufe der Zeit sind die Ansprüche gesunken. Blieb also Deutscher. Besser als nichts.
Cosars Show, die er jetzt im dank mehrerer angereister Schulklassen ausverkauften Pantheon Casino zeigte, ist ambivalent: Auf der einen Seite will er Vorurteile relativieren, auf der anderen tut
er immer so, als wolle er vor seiner eigenen Geschichte flüchten. Der Phantomschmerz vom Türkischsein (und vor allem von der Beschneidung im Alter von zehn Jahren) plagt ihn noch immer, sagt er –
ein positives Bild sieht anders aus. Ein klares Konzept auch. Unterhaltsam ist der 33-Jährige ja, hat einige gute, frische Ideen, die er mit großer Lockerheit präsentiert. Aber den feinen,
hintersinnigen, fast beiläufigen Pointen steht ein teilweise sehr pubertärer Humor gegenüber, bei dem das österliche Bemalen von Eiern unweigerlich eine sexuelle Konnotation erhält. Ha ha ha.
Selten so gelacht.
Diese Diskrepanz zieht sich durch das gesamte Programm. Mal schlägt Cosar ernste Töne an und attackiert die IS-Terroristen, die den islamischen Glauben beschmutzen, dann wieder mokiert er sich
über die vielen Fachbegriffe in medizinischen Diagnosen und das via „Listen and Comprehension“-Studien erlernte British English, mit dem man sich ja in Brooklyn nicht vernünftig verständigen
könne, und setzt kurzerhand auf eine übertriebene Comic- und Jugendsprache („Schule war bei mir boa“). Es fehlt eine klare Linie, eine Struktur. Die einzelnen Parts sind mitunter durchaus
gelungen, die amüsanten Imitationen von fröhlichen Discogängern, bei denen die Vergangenheit als Deutscher Meister im Breakdance noch durchschimmert, gar hervorragend. Nur am Gesamtpaket muss
Özcan Cosar noch arbeiten.
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