„Ich weiß nicht, wem ich noch vertrauen kann“, sagt Philip Simon resigniert. Den Politikern? Wohl kaum, laufen die doch nur allzu willig durch eine Drehtür namens Angela Merkel, gehen mit großen Worten rein ins Zentrum der Macht und kommen als Nieten wieder raus. Der Religion? Auch nicht – der holländische Kabarettist, der da auf der Pantheon-Bühne sitzt und in einem an Hagen Rether erinnernden Duktus über Gott und die Welt sinniert, hat ein Problem mit Leuten, die anderen den wahren Glauben erklären wollen, die über Text- oder neuerdings auch Bildinterpretationen in Rage geraten und ihre Meinung statt mit Vernunft mit Aggression durchzusetzen versuchen. Dann vielleicht der Gesellschaft? Guter Witz. „Wir sind moralische Flatliner“, konstatiert Simon. Tja. Irgendwie ernüchternd.
Gnadenlos seziert der Hobbyphilosoph, der sich selbst autistische Züge unterstellt und beinahe sehnsüchtig in Richtung Zwangsjacke schielt, in seinem ständig aktualisierten Programm „Ende der
Schonzeit“ das Versagen der regierenden Klasse und die Macht der Werbung, sucht nach einer Füllung für so manche Gaucksche Worthülsen und weiß um das Apple Unser, das in naher Zukunft in der
iChurch gebetet wird. Der Mahner in der Wüste der Werte wettert gegen den Glauben an Kommerz und Konsum. Kennt man ja. Doch Simon erfüllt diese Aufgabe wahrlich meisterhaft, bissig, satirisch und
philosophisch. Das alles muss er rauslassen, das verlangt dieses permanente Brisseln im Kopf – auch wenn es nur selten Kleinigkeiten sind, über die sich der Kabarettist aufregt. Meistens sind es
eben doch die großen Probleme. Oder das Fernsehen, das Simon zumindest partiell geschädigt zu haben scheint. Erfreulicherweise übertriebt er es aber nicht mit diesem doch inzwischen
ausgelutschten Thema, lockert damit lediglich den sonst dominierenden Schwermut auf – und stürzt sich danach einmal mehr in die Abgründe der deutschen Seele.
Eine leichte Kost bietet Philip Simon nicht. Aber eine lehrreiche. Und eine notwendige. Während dem Publikum immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt, klopft der 38-Jährige an jene
zerbrechliche und doch scheinbar unüberwindbare Scheibe aus Ängsten und Hoffnungen, die den Menschen wie einen Schmetterling im Glas gefangen hält, während er von Freiheit träumt. So präsentiert
Simon brillante, teils tiefgründige Texte irgendwo zwischen depressiven Ergüssen und wildem Aufbäumen, manchmal etwas zu trantütig, aber immer zum Nachdenken anregend.
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