Wenn es nach dem Publikum gehen würde, wäre einer der größten Hits Lionel Richies Programm: „All night long“, die ganze Nacht über, würden die gut 7000 Fans am liebsten in der Lanxess Arena feiern, tanzen, singen und – auf Kommando – springen. Party bis zum Morgengrauen. Warum nicht? Dank eines exzellent aufgelegten, frisch und enthusiastisch wirkenden Superstars auf der Bühne an sich kein Problem. Letztlich müssen aber knapp zwei Stunden reichen. Die dafür vollgepackt sind mit dem Besten, was Lionel Richie zu bieten hat, einem Kondensat aus seinem über 40-jährigen Schaffen. Ist letztlich genau so viel wert wie eine durchfeierte Nacht.
Glücklich will der Entertainer alle machen: jene, die damals zu Platten von den Commodores griffen, um eine Party in Sprung zu bringen; jene, die während Richies großer Solo-Zeit bei Liebeskummer
eine Kassette mit den schmachtend-schmalzigen Balladen eingelegt haben; und jene, die von ihren Eltern mit dem Mann aus Tuskegee, Alabama, bekannt gemacht wurden und die „letztlich keine Ahnung
von dem haben, wovon ich singe.“ Dabei lässt sich das doch so einfach in Worte fassen. Wenn eine Liebe aufblüht oder zerbricht, wenn alles am Ende ist oder gerade erst zu strahlen beginnt, wenn
man von Trauer zerfließt oder einfach nur ausgelassen tanzen will, wendet man sich an den großen Soulsänger und findet dort eine Antwort auf alle Fragen. Lionel Richie, Prediger und Erlöser in
einer Person. Dieser jung gebliebene 65-Jährige mit dem strahlend weißen Zahnpastawerbungs-Lächeln, dem oft selbstironischen Augenzwinkern und dieser Stimme, die samtweich sein kann, gospelhaft
röhrend oder auch feurig-funkig, die Silben wie ein Maschinengewehr in den Saal schießend. Er, der sich so über die Kälte amüsiert und doch auf der Bühne schon nach den ersten Stücken zu
zerfließen scheint, ohne dabei nachzulassen. Ganz im Gegenteil. Ein neues Jackett und weiter geht’s.
Dabei kann er sich auf seine Band verlassen, die sichtlich Spaß am Auftritt hat. Vor allem Saxofonist Dino Soldo, der mit ständig wechselnden Kopfbedeckungen erscheint, sorgt für erfrischende und
amüsante Momente, hängt bei „Dancing on the Ceiling“ gar kopfüber auf dem Flügel und lässt sich von Lionel Richie necken. Nur der Tontechniker scheint nicht so ganz bei der Sache zu sein: Das
Schlagzeug droht vor allem am Anfang der Show in der Versenkung zu verschwinden, während Richies Stimme lautstärkemäßig am oberen Ende der Skala liegt. Immerhin sorgt dieser aber so dafür, dass
auch wirklich alle seine Kommandos befolgt werden: „Everybody stand up! You can't sit down!“, ruft er dem Publikum zu, das nur zu bereitwillig folgt, schließlich kann bei Songs wie „Brick House“,
„Lady“ oder „Just for you“ ohnehin niemand stillhalten. Auch das Mitsingen fordert Lionel Richie immer wieder ein, bei „Endless Love“, jenem Duett, dass er 1981 mit Diana Ross aufnahm, ist es
sogar essentiell. „Who needs Diana“, staunt er grinsend, als tausende Kehlen den Frauenpart übernehmen. Ja, textsicher ist das Publikum in Köln auf jeden Fall. Auch beim Finale, jenem Song, den
Richie als seinen bedeutendsten bezeichnet und den er vor ziemlich genau 30 Jahren zusammen mit Michael Jackson schrieb: „We are the World“, die Friedenshymne schlechthin. Ein Lied, dessen
Botschaft heute mehr denn je gebraucht wird. Der Mann auf der Bühne weiß das. Und singt zum Abschluss umso eindringlicher. Manches ändert sich eben nie. Und manchmal, wie im Falle Lionel Richies,
ist das gar nicht mal schlecht.
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