Zwei Superstars auf einer Bühne – und ein Problem, das einer von ihnen schon seit einem halben Jahrhundert mit sich herumträgt, auch wenn die beiden Männer, die da in der ausverkauften Lanxess Arena in Köln die Menge zu Jubelstürmen hinreißt, jetzt zum ersten Mal gemeinsam auf ihrer „On Stage Together“-Tour sind. Beide sind sie auf ihre Weise Genies, beide werden sie gefeiert. Doch egal was Paul Simon auch macht, wie sehr er auch über die Bühne springt, sich in Pose wirft, sich präsentiert, gegen das Charisma eines Sting kommt er einfach nicht an.
Es ähnelst schon fast einem Fluch, dass Simon, ohne Frage einer der wichtigsten Musiker des 20. Jahrhunderts, eigentlich alle Ehrungen erhalten hat, die man sich nur vorstellen kann, aber eben
nicht jene Ausstrahlung besitzt, dank derer anderen Künstlern die Herzen der Fans fast schon automatisch zufliegen. So auch in Köln: Hier ist es Sting, der ohne darum zu buhlen den größten
Applaus erhält, Sting, der die Akzente setzt, Sting, der mit der Menge interagiert und ein entsprechendes Feedback erhält. Und Paul Simon? Muss sich anstrengen.
Dabei stimmt musikalisch einfach alles. Dank gleich zweier Bands im Hintergrund können sich sowohl Sting als auch Paul Simon austoben, können sie Bläsersätze einbauen, Raum für Geigen-, Saxofon-
und Tuba-Soli lassen und im Notfall gleich auf zwei Schlagzeuge zurückgreifen. Vor allem Sting gibt Gas. Der 63-Jährige trägt inzwischen einen Rauschebart in Holzfäller-Optik und strotzt vor
Kraft. Was er in den Höhen verloren hat, macht er durch mehr Klangfarben und grandiose Arrangements wett, in denen eine Backgroundsängerin Sting so meisterhaft unterstützt, dass die Stimmen oft
zu einer einzigen verschmelzen. Genüsslich wechselt der Brite zwischen Hits aus seiner Solo-Zeit und alten Police-Titeln, spielt „So lonely“, „Englishman in New York“, „Walking on the moon“,
„Message in a bottle“ und natürlich „Roxanne“, in das er geschickt die Bill-Withers-Nummer „Ain't no sunshine“ einflechtet. Der Saal tobt. Und kommt dann bei Paul Simon wieder zur Ruhe.
„Gracceland“, „Dazzling Blue“, „Diamonds on the Soles of her Shoes“. Die Brillanz, die beide teilen, verbindet sich bei dem 73-Jährigen mit feiner Melancholie und intellektueller
Experimentierfreude, die nicht schlechter ist als die Wucht Stings. Nur anders. Sie geht nicht in die Beine, sondern in den Kopf. Und, vor allem für eine bestimmte Generation, mit zarten
Schritten ganz tief ins Herz.
Das gesteht Sting selbst. „Ich bin nicht der einzige, dessen Leben in Paul-Simon-Songs gemessen werden kann“, sagt er. Die erste Liebe, die erste Trennung, alles gespickt mit dessen Liedern. Und
im Falle Stings auch das erste große Abenteuer. „America“ singt er, so emotionsgeladen und einzigartig, wie es nur wenige vermögen. Besser kann man Paul Simon nicht ehren, auch wenn es mit einem
jener Titel geschieht, die dieser selbst in seinen Solo-Teilen auslässt. Alles aus der „Simon & Garfunkel“-Zeit geht nur in Form eines Duetts. Gut so. Denn es sagt auch etwas über Paul Simon
aus, wenn er etwa die Melodie von „The Boxer“ rhythmisch so frei interpretiert, dass der locker-flockig-unbeschwerte Tonfall erst durch den Einsatz Stings hergestellt werden muss. Einfach mal den
Kopf ausschalten. Spielen statt anstrengen. Und genießen. Dann geht auch das Publikum mit. Als die beiden schließlich „Bridge over troubled Water“ anstimmen, gelingt dies so gut, dass sich auf
der Gänsehaut noch eine Gänsehaut bildet. Was für ein Konzert. Für den Kopf und das Herz.
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