Körper bilden Quallen, Krabben, Elefanten, werden zu Stühlen, Töpfen, einem Schloss, beständig einer Metamorphose unterworfen, die das Publikum zum Staunen anregt: Die Show „Shadowland“ des US-amerikanischen Pilobolus Dance Theatre ist ein zauberhaftes Panoptikum, ein märchenhaftes Schattentheater der Extraklasse. In der Beethovenhalle haben die neun Tänzer jetzt mit teils sinnlichen und teils verblüffenden Bewegungen vor und hinter der Leinwand die Geschichte eines jungen Mädchens in Szene gesetzt, das in einem Traum zu sich selbst finden muss.
Von einer Art göttlicher Hand mit einem Hundekopf versehen trifft es auf abenteuerliche Gestalten, flieht vor verrückten Köchen und makabren Zirkusartisten, wird ausgenutzt, abgerichtet und in
einer bittersüßen Szene von einem Cowboy verstoßen, bis es bei einem Zentauren Liebe und Zuneigung findet. Und damit die Kraft, sich selbst zu verändern. Es ist die eigene Hand, die sie wieder
zum Menschen macht, die eigene Einstellung statt eines Deus ex machina, die ihre Metamorphose von Kind zu Frau beendet.
Auf der großen Projektionsfläche, auf der die Tänzer mittels komplexer Verrenkungen und perfekter Präzision ihre Schatten zu Objekten und Wesen verschmelzen lassen, sieht alles so einfach aus.
Man bestaunt das Spiel aus Licht und Dunkel, genießt das poetische Märchen und vergisst schnell, dass es sich letztlich um einen 80-minütigen akrobatischen Kraftakt handelt. Dabei durchbrechen
die Mitglieder des Pilobolus-Ensembles die Illusion regelmäßig, treten nach vorne, zeigen selbstbewusst ihre durchtrainierten, nur mit dem Nötigsten bekleideten Körper, während das Mädchen in der
Geschichte den ihren und die damit verbundene Sexualität erst noch erkunden und erfahren muss. Doch dann wird die Erotik ausgeblendet, verschwinden die Tänzer erneut in den Schatten – und das
Publikum ist sofort wieder im Bann derselbigen. Einziger Wermutstropfen in der ebenen Beethovenhalle war, dass sich einiges auch auf dem Bühnenboden abspielte, der durch die Köpfe der vorderen
Reihen nicht immer optimal einzusehen war.
Klar ist: Wer „Shadowland“ nur als harmlose Spielerei abtut, wird der weltweit gefeierten Produktion einfach nicht gerecht. Die scheinbar so possierliche Handlung mit ihren teils absurd-grotesken
Bildern ist bis zum Rand gefüllt mit Bedeutung, hat auch im sechsten Jahr nach der Uraufführung nichts von ihrer Qualität verloren. Man muss nur zur Dechiffrierung bereit sein. Das Bonner
Publikum scheint diese Transferleistung erbracht zu haben: Immer wieder gaben sie Szenenapplaus und feierten die Pilobolus-Crew am Ende mit frenetischem Applaus, für den sich die Tänzer mit einer
kleinen Zugabe samt Bonn- beziehungsweise Beethovenbezug bedankten.
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