Es hätte nicht besser kommen können, da sind sich Publikum und Künstler einig. Geile Schuhe, geile Strümpfe, geile Hose, geiler Typ, so schallt es aus der Menge in Richtung Bühne, und der Mann mit der gelbbeglasten Brille schüttelt nur grinsend den Kopf und stellt kurz darauf eine Frage, deren Antwort ohnehin schon kennt. „Alles klar?“ Ja was sonst. Wenn Stoppok so wie am vergangenen Sonntag in die Harmonie kommt, kann es kaum anders sein.
Die Stimmung ist gelöst, fast familiär. Stoppok gilt als einer aus dem Volk, einer, der ausspricht, was andere denken, klar und unverblümt, ehrlich und unverbogen. Dafür hat er jetzt den
Deutschen Kleinkunstpreis erhalten, und mit seinem aktuellen Album „Popschutz“ ist er erstmals in seiner über 30-jährigen Karriere in die Top 20 der deutschen Album-Charts vorgedrungen. Es läuft
also. Doch erst in seinen Konzerten dreht Stoppok so richtig auf. Dann lernt man ihn kennen, in diesem permanenten Austausch zwischen Künstler und Publikum und in den Anekdoten, die der
59-Jährige vor allem während beziehungsweise zwischen dem Stimmen der Saiten zum Besten gibt. „Früher konnte ich noch gleichzeitig stimmen und reden. Das gelingt mir immer seltener, aber ich
versuche es immer wieder“, gesteht Stoppok. Auch wenn sich dadurch die Pausen mitunter etwas in die Länge ziehen. Das Publikum kennt das. Und stört sich nicht weiter dran. Ganz locker eben.
Hauptsache, die Gitarre klingt hinterher. „Das Ohr hört mit“, weiß Stoppok. Vor allem bei schönen Liedern.
Von denen hat Stoppok einige im Programm, herrliche Balladen wie das lyrisch-folkige „Ein Wort“ oder das den menschlichen Herdentrieb kritisch betrachtende „Viel zu schön“. Dazu virtuos gespielte
Liebeslieder zwischen Beton und Benzin und geschrammelte, bluesige Nummern, allesamt getragen von dieser unverwechselbaren, leicht nasalen, charismatischen Stimme, die gerne mal ein paar Worte
vernuschelt und trotzdem jederzeit verständlich ist. Mit dem Fuß schlägt Stoppok den Rhythmus, die Ein-Mann-Band braucht in der Regel nicht mehr, und wenn doch, ist ja das Publikum zur Stelle.
Bei „Scheiße am Schuh“ muss es ein Dudelsack-Orchester imitieren, dann wieder lauthals von der „arschbraunen Erde“ singen – und im Falle des „Spezialisten-Blues“ gar Stoppok mit den Anfangszeilen
helfen. „Ich bin selbst kein Spezialist“, sagt er dann, „ich bin nicht auf die Welt gekommen, um Texte fehlerfrei aufzusagen.“ Aber um den Alltag in poetische Worte zu fassen, um gerade das
Unspezielle zu etwas Besonderem zu machen. Kann auch nicht jeder.
Gegen Ende des zweieinhalbstündigen Konzerts kommt dann noch ein alter Bekannter hinzu: Willi, der Mann von nebenan, den Stoppok gleich zweimal besingt. Die Menge jubelt – da ist er ja, der
Nicht-Spezialist, der Anti-Held, dem in Afrika das Rheinland fehlt und dessen bester Freund sich mit seiner Frau vergnügt. Lieder wie diese dürften Gründe dafür sein, dass Stoppok bis heute das
Label des Pott-Poeten anhängt, obwohl der sich davon längst emanzipiert hat, auch mal, wie etwa in „La Compostella“, politisch wird oder sich in bester Ulrich-Roski-Manier auf den
absurd-komischen Turbo-Text von „Learning by Burning“ stürzt. Und bei letzterem zumindest am Anfang scheitert. Egal. Das macht Stoppok nur um so sympathischer und authentischer. Erst dadurch wird
eben am Ende klar: Es hätte nicht besser kommen können.
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