Die wichtigste Frage zuerst: Ist BonnVoice ein Laien- oder ein Profichor? Welche Maßstäbe sind anzusetzen, auf welchem Level muss die Kritik liegen? Wie sind jene zu bewerten, die das Singen nur als Hobby betreiben, dies aber, wie sie jetzt bei einem Konzert im Pantheon unter Beweis stellten, auf einem Niveau tun, von dem so mancher Berufssänger respektvoll den Hut ziehen müsste? Sind das Laien? Vielleicht – aber dann müsste nun eine Aufreihung von Superlativen folgen, die zwar durchaus gerechtfertigt wäre, aber nicht wirklich weiterhelfen würde. Also liegt die Messlatte nun höher – und selbst unter diesen Umständen schneidet BonnVoice hervorragend ab. Auch wenn durchaus noch Luft nach oben ist.
chon allein die Bandbreite der Chors ist bemerkenswert: Jazz, Pop, Folk, sogar Klagelieder finden sich im Repertoire; neuerdings hat das Ensemble um Tono Wissing sich auch dem Hardrock zugewandt,
will es also krachen lassen. Doch noch fehlt es an so manchen wichtigen Stellen am nötigen Mut, um wirklich auszubrechen. Es fehlt an Dreck und Schmerz in der Stimme, wenn Nirvanas „Smells like
Teen Spirit“ erklingt, an mühsam unterdrückter Wut bei Rammsteins „Engel“, an der brachialen Dynamik im Mittelteil, die Metallicas „Nothing else matters“ zu mehr macht als einer Aneinanderreihung
von drei Akkorden. All dies wertet die Leistung von BonnVoice mitnichten ab – was der Chor präsentiert, ist vor allem angesichts einiger Arrangements, die schwerer kaum sein könnten, aller Ehren
wert. Aber da geht noch mehr. Viel mehr. Die Stimm-Ferraris müssten nur mal die Handbremse lösen und Vollgas geben.
Dabei kann BonnVoice genau dies leisten. Im Jazz und im Pop klappt es auf jeden Fall deutlich besser mit der richtigen Akzentuierung und dem beständigen Impuls nach vorne, der in anderen Stücken
ein wenig vermisst wird. Herrlich etwa Joe Zawinuls legendärer Titel „Birdland“, bei dem vor allem der Alt mit perfektem Groove zu punkten weiß, oder bei dem perfekt gesungenen „Eleanor Rigby“ –
schwach dagegen Jamiroquais „Virtual Insanity“, bei dem der Beatboxer leider zu leise ist und der Chor immer wieder auseinanderdriftet.
Und dann wären da noch die Solo-Sänger und Solo-Gruppen zu erwähnen. Johannes Richter setzte ein ordentliches „Halleluja“ in Szene (für den Chor eines ihrer wichtigsten Lieder – damit haben sie
bei Youtube über eine Millionen Clicks erreicht), Silke Uckermann ein schönes „Nothing compares to you“, Asok Punnamparambil ein atemberaubendes „I was brought to my senses“. Für den stärksten
Moment des Abends (unmittelbar nach einem grandiosen „You take my Breath away“) sorgte allerdings ein Ensemble, das sich an das Pentatonix-Arrangement von „Royals“ wagte. Und gewann. Hier stimmte
alles, Intonation, Drive, Tempo. Herrlich. Wenn genau dieses Gefühl zur Selbstverständlichkeit wird, ist BonnVoice endgültig in der absoluten Top-Riege angekommen. Das Potenzial dafür haben sie
auf jeden Fall.
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