Er verrät all unsere Geheimnisse, unsere Gefühle, unsere Gedanken: Der Körper ist ein Plappermaul. Wenn man ihn versteht. Thorsten Havener kennt sie alle, die kleinen, oft unbewussten Signale von Händen, Füßen, Augen, Ohren und Nasenspitze. Er gilt als Meister der Körpersprache, als Experte mit fast schon telepathischen Fähigkeiten, der alle gewünschten Informationen beinahe mühelos ermitteln kann. Zahlen, Reiseziele, Mordtaten – in seiner Show, die er jetzt im Haus der Springmaus in Bonn gezeigt hat, findet er in kleinen Spielen jedes Detail heraus. Auch wenn längst nicht alles gelesen werden muss. Denn Havener geht gerne noch einen Schritt weiter, wird vom Rezipienten zum Autor und schreibt so manchem seiner Probanden mit geschickten Suggestionen die nötigen Verhaltensregeln auf den Leib. Ob der Täter tatsächlich von Anfang an der Täter war oder erst durch die Charakterisierung durch Havener diese Rolle annimmt? Das bleibt offen.
So laviert sich der 42-Jährige geschickt durch sein Programm. Mit ungeheurer Leichtigkeit und einer gewissen Portion Unverfrorenheit manipuliert er die Menschen um ihn herum, lenkt sie mal durch
ein Wort, dann wieder durch eine Geste. Am Anfang greift er sogar ganz bewusst zu plumpen Hinweisen, wohlwissend, wie sein Bühnenpartner auf diese Kommentare reagieren wird. Denn ein exzellenter
Menschenkenner ist Thorsten Havener allemal. Und ein hervorragender Beobachter. Manchmal reicht das schon aus, um jemanden bei einer Lüge zu ertappen oder ein bemüht versteckt gehaltenes
Geheimnis zu lüften. Doch immer wieder sind es eben die Suggestiv-Fähigkeiten des Mentalisten, der sein Metier meisterhaft beherrscht. Ja, offiziell ist er längst kein Zauberkünstler mehr,
verlegt sich nicht auf Tricks, hat sie nicht nötig. Doch ist gerade diese Haltung eine Illusion. Ein bloßer Übersetzer ist Havener nicht. Und auch niemand, der mehr als einen kleinen Einblick in
das Spiel mit der Wahrnehmung gewährt.
„Ob etwas möglich ist oder nicht, ist oft eine Frage der Perspektive“, gibt Havener zu, nachdem er eine junge Dame mit einem scheinbar durch ihren Körper wandernden Kleiderbügel überrascht hat.
Aus dem Saal wirkt die Täuschung anders. Ganz bewusst. Befreiendes Lachen – so einfach geht das also. Gilt für jeden Trick, wenn man ihn denn kennt. „Die Welt ist immer das, wofür wir sie
halten“, heißt es dann. Und somit das, was Menschen wie Havener vorgeben. Keine schöne Vorstellung. In diesen Momenten ist es besonders schade, dass der 42-Jährige nicht mit offenen Karten spielt
und größtenteils Allgemeinwissen verbreitet. Dass eine gehobene Augenbraue eine Aussage verstärkt? Ist keine überragende Erkenntnis, auch wenn sie noch so unterhaltsam vorgebracht wird.
Doch ob es nun Tricks sind oder nicht: Thorsten Havener versteht es, sein Publikum zu verblüffen. So lässt er eine Frau die Berührungen am Arm ihres Partners fühlen. Magie. Keine Frage. Oder
zumindest irgendetwas Mystisches, immerhin scheint der Mentalist sein Opfer in Trance geschickt zu haben. Wohlgemerkt ohne ihre Einwilligung, was schon ein wenig fragwürdig ist. Ja, es passiert
nichts, wahrscheinlich war die Hypnose noch nicht einmal echt. Aber dennoch sollte man mit derartigen ohnehin schon unnötig vorurteilsbehafteten Techniken ein wenig sensibler umgehen. Auch wenn
die Methode für Aufsehen sorgt, Havener für diese Nummer noch stärker bejubelt wird als ohnehin schon. Ist ja auch in Ordnung, abwechslungsreich und unterhaltsam war „Der Körpersprach-Code“ in
der Tat. Trotz oder vielleicht sogar wegen so mancher Manipulationen.
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