Hubert von Goisern hat in seinen zahlreichen Wanderjahren schon so einiges aufgesogen: Samba, Funk, Reggae und Soul hat er mit den Klängen seiner oberösterreichischen Heimat kombiniert, hat für den Dalai Lama tibetische Lieder gesungen und mit einem ägyptischen Sufi-Musiker auf der Bühne gestanden. Sich öffnen, das war und ist seine Devise. Neue Impulse von außen zulassen, um menschlich und musikalisch zu profitieren. Zuletzt war der 62-Jährige in den USA, um sich Country und Blues hinzugeben und sie in den ihm eigenen Alpenrock zu integrieren. Ein interessantes, wenn auch nicht immer hundertprozentig gelungenes Experiment, dessen Ergebnis er am vergangenen Montag vor mageren 1100 Zuschauern auf dem KunstRasen präsentierte.
Es ist schon seltsam, wie schwer es deutschsprachige Musiker von jenseits des Weißwurstäquators vor allem im Westen und Norden der Bundesrepublik haben: Erst Ende Juni hat von Goisern 13.000 Fans
auf dem Münchner Königsplatz versammelt, in Bonn interessiert sich dagegen kaum jemand für ihn. Dabei ist er der Wegbereiter für Künstler wie den derzeit kräftig gepushten Andreas Gabalier – doch
mit dialektschwangerem Alpenrock oder der noch immer unter einem Stigma leidenden volkstümlichen Musik, die unweigerlich Bilder von Oktoberfesten und Trachtenumzügen weckt, scheinen Rheinländer
ebenso wie Hamburger oder Ruhrpottler nur in Ausnahmefällen etwas anfangen zu können. Im Falle Hubert von Goiserns ist das bedauerlich, durchbricht er unter dem Jubel seiner Fans doch immer
wieder die gängigen Klischees und Schemata. Nicht umsonst gilt die ehemalige Alpinkatze als großer Volksmusikerneuerer, als einer, der die Kultur des Salzkammerguts liebt und sich gerade deswegen
an ihr reibt, der die Tradition ehrt und doch die Reformation sucht. Mitunter gelingt es ihm auch auf dem KunstRasen: Da trifft ein steirischer Jodler auf sumpfig klingende Pedal-Steel-Gitarren
in bester Cajun-Manier, jagt er mit dem Akkordeon dem Rock 'n' Roll hinterher, erhält „Amazing Grace“ kurzerhand eine Übertragung in die oberösterreichische Mundart. Auch politisch wird er
mitunter, ehrt etwa all jene, die mutig für die Wahrheit ihre Freiheit aufs Spiel setzen, mit „Snowdown“, dem Auftaktsong zu seinem aktuellen Album „Federn“ – oder thematisiert in „Brenna tuats
guat“, dem wahrscheinlich kritischsten Wiesn-Hit der Geschichte, die maßlose Verschwendungssucht im Angesicht sozialer Missstände.
Doch auch wenn er textlich kontinuierlich neue Wege geht, kann sich von Goisern von den musikalischen Klischees, die in der Mischung aus Country und Alpenrock lauern und die sich mitunter
gegenseitig potenzieren, nicht immer gleichermaßen lösen. Der Erneuerungsgedanke weicht dann schnell mal einem von belanglosen Floskeln geprägten Konservatismus, Dauergejodel und aufgepfropfter
Musikantenstadl-Stimmung. Zum Glück währen derartige Phasen nicht allzu lange – schnell kommt wieder ein unerwarteter neuer Einfall oder eine humorvolle Moderation von Goiserns, der damit
eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er vielleicht nicht immer jedermanns Geschmack bedient, deswegen aber noch lange nicht ignoriert werden sollte. Egal auf welcher Seite des
Weißwurstäquators man sich befindet.
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