Besser hätte es letztlich kaum laufen können: Die erste Auflage der Rockaue als Nachfolge-Festival der Rheinkultur hat am vergangenen Samstag Bonn noch einmal so richtig eingeheizt. Vier Bühnen, über 40 Bands und mit Jennifer Rostock und Schandmaul zwei hervorragende Headliner sorgten unter den knapp 20.000 Besuchern für Stimmung – der perfekte Sommertag tat sein übriges. Bis Mitternacht rockte und waberte die Musik über Große und Kleine Blumenwiese, die Menge in ihren Bann ziehend. Und auch wenn an der ein oder anderen Stelle sicherlich noch Verbesserungsbedarf bestand (vor allem zu wenige Toiletten wurden bemängelt) und die reduziert fahrenden Straßenbahnen die Abreise zu einer Odyssee werden ließ, können die Veranstalter mit der Premiere zufrieden sein.
Musikalisch gab es ohnehin wenig auszusetzen. Vor allem die beiden großen nationalen Acts zogen die Menschen in Scharen an und boten eine bemerkenswerte Show. Während Schandmaul in bekannt
mittelalter-folkig-rockiger Weise das Publikum zum Springen und Schunkeln brachte, Drehleier und Schalmei ebenso einsetzte wie krachende E-Gitarren und den „Narrenkönig“ hochleben ließ, setzte
Jennifer Rostock auf Sex und Östrogen, um dem Testosteronüberschuss, den Frontfrau Jennifer Weist auf dem Gelände ausgemacht haben will, einigermaßen Herr zu werden. Zwar zog die volltätowierte,
knapp bekleidete 28-Jährige im Gegensatz zu manch anderen ihrer Konzerte nicht blank, ließ aber immerhin gehörig die Hüften kreisen und garnierte ihre Lieder mit offenherzigen Kommentaren. „Wenn
ihr hinten am Hang meine Muschi riechen könnt, dann ist alles gut“, rief sie gleich zu Beginn des Konzerts, bevor sie sich einen Schnaps gönnte und der Menge Feuer unterm Hintern machte. Die
Provokation muss sein, macht sie doch einen beträchtlichen Teil des Reizes von Jennifer Rostock aus; der harte, aber vorhersagbare Deutschrock der Berliner Band würde wahrscheinlich ohne die zur
Schau gestellte Fleischeslust nur halb so gut ankommen. Das Auge hört eben mit.
Wie wichtig eine gute Bühnenpräsenz ist, müssen einige der Nachwuchsbands, die auf der Rockaue spielen duften, noch lernen. Nicht nur von Jennifer Rostock und Schandmaul, auch von Formationen wie
Gun Barrel (aus irgendeinem Grund nur zu dritt, aber druckvoll wie eine ganze Legion), Motorjesus und Freedom Call, die alle nacheinander auf der Rock 'n' Heavy Stage treibenden, guten, mitunter
allerdings von Pathos triefenden Metal gespielt haben. Vor allem Letztgenannte trieben mit ihren an eine Mischung aus Manowar und JBO erinnernden Stücken einige hartgesottene Fans knüppelharter
Klänge zur Verzweiflung, sorgten aber bei allen anderen für ausgelassene Stimmung.
Die stellte sich auf der Electronic Stage, auf der schon am frühen Nachmittag Felix Jaehn und am Abend der Seelensaunabetreiber Talul auflegten, dagegen nicht ohne weiteres ein: Der Sound, der
aus den Boxen kam, war nicht optimal ausgesteuert, hatte – wahrscheinlich aus Lärmschutzgründen – zu viele Höhen und zu wenige Bässe. Der ein oder andere Besucher meckerte auch über die seiner
Meinung nach zu niedrige Lautstärke, die in der Tat nicht auf einem trommelfellschädigenden Disco-Niveau lag. Zum Glück, immerhin soll die Rockaue auch im kommenden Jahr wieder stattfinden
können. Ein Termin steht bereits fest: Am 9. Juli 2016 geht die Party weiter.
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