Zehn Abende mit je einem Doppelkonzert, die meisten schon seit Monaten ausverkauft: Auch nach der Vergrößerung im vergangenen Jahr ist der Erfolg des Bonner Jazzfests ungebrochen. Am vergangenen Donnerstag haben nun mit Ulita Knaus und Pat Martino zwei Künstler das Festival eröffnet, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und die gerade deswegen hervorragend das kontrastreiche Gesamtprogramm repräsentieren.
Auf der einen Seite die blonde Hamburgerin mit ihrer charmant-zugänglichen Mischung aus Pop, Soul und natürlich Jazz, wandelbar und stimmgewaltig; auf der anderen Gitarren-Ikone Pat Martino,
dessen Instrument eher an eine Orgel erinnert, weitaus dumpfer als die begleitende Hammond B3 seines Trio-Kollegens Pat Bianchi, aber zugleich brillanter durch die technische Finesse und Eleganz
des 70-Jährigen, der in den 80ern ein Hirn-Aneurysma erlitt und daraufhin den Bezug zu seiner Musik erst wieder neu herstellen musste. Sein Spiel ist ein Fluss, ein Strom, unaufhaltsam durch das
weite Feld der Harmonien streifend, mal einlullend, dann wieder mitreißend.
Stilistisch macht Martino im Gegensatz zu Knaus keine großen Zugeständnisse: Mal setzt er auf ein gemächliches „Sentimental Mood“, dann wieder auf ein fetzig-treibendes „Full House“ (im Original
von Wes Montgomery) oder auf John Coltranes „Impressions“, bleibt jedoch ständig seiner Linienführung treu, in den Solo-Passagen versinkend, die er und Bianchi sich zuwerfen, während Drummer
Carmen Intorre für den nötigen Druck nach vorne sorgt. Schade ist allerdings, dass die Gitarre mit ihrem ungewöhnlich verschwommenen Sound nur bedingt für Differenzierungen taugt und zugleich
beständig die Snare Drum anregt.
Derartige Klangprobleme hat Ulita Knaus glücklicherweise nicht. Mit ihrer neuen CD „The Moon On My Doorstep“ zeigt sich die 45-Jährige so stark wie nie. „Mir ging es zuletzt nicht so gut“,
gesteht diese – die Musik ist ihre revitalisierende Antwort. Zusammen mit Tino Derado am Klavier und dem herausragenden Perkussionisten Tupac Mantilla, der sowohl auf diversen Trommeln und Becken
als auch auf seinem Körper spielt, reißt die Sängerin das Publikum beinahe von den Stühlen. Cover-Versionen vom Tom Waits bis Pink Floyd mischen sich unter mal berührende, mal amüsierende
Eigenkompositionen über westwärts weisende Fenster, Wellness in China und – die wahrscheinlich emotionalste Geschichte des Abends – über einen Akkordeonisten, der bei Wind und Wetter auf den
Straßen Hamburgs gespielt hat und Knaus durch seine positive Ausstrahlung Kraft gegeben hat. Ihm hat sie das Lied gewidmet. Zwei Tage nachdem sie es schrieb, starb er.
Starke Frauen wie eben Ulita Knaus haben an dem weiteren Programm des Jazzfests, das dessen Nukleus Peter Materna wieder einmal kongenial zusammengestellt hat, einen nicht unerheblichen Anteil.
So trifft heute Abend die beeindruckende US-amerikanische Sängerin Lizz Wright in der Aula der Universität Bonn auf den Brückenbauer Stefan Schulze, der Neue Musik und Jazz miteinander verbindet;
die Perkussionistin Marilyn Mazur, die in den 80ern mit Miles Davis, Wayne Shorter und Gil Evans auf Tour war, spielt neben dem aufstrebenden Trompeter Frederik Köster; und auch die
energiegeladene junge Pianistin Julia Kadel wird einem Blechbläser gegenübergestellt, und zwar niemand anderem als dem italienischen Avantgardisten Enrico Rava. Den Abschluss bilden schließlich
die Nürnbergerin Rebecca Trescher mit ihrem waghalsig besetzten Ensemble 11 und der Punker unter den klassischen Geigern, Nigel Kennedy, der in einer Deutschlandpremiere sein neues
Hendrix-Programm vorstellt. Grenzgänger unter sich. Das vollständige Programm finden Sie unter www.jazzfest-bonn.de.
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