„Treue ist keine Frage des Charakters, sondern der Versuchung“, soll Udo Jürgens einmal gesagt haben. Ein Satz, den Atze Schröder liebt. Der Brachial-Komiker, dessen Witze ohnehin zumeist entweder auf Felgenniveau oder unter der Gürtellinie liegen, ist selbst dem ein oder anderen Techtelmechtel nicht abgeneigt – der Mann mit den Minipli-Locken, der blau getönten Brille und den knatschengen Klamotten ist auch in seinem 50. Lebensjahr noch hormongesteuert wie ein Zuchtbulle, und welche ausreichend alkoholisierte Frau könnte zu ihm schon Nein sagen? In der Beethovenhalle gibt Mega-Macho Atze, wahrscheinlich die bekannteste Kunstfigur der deutschen Comedy-Szene, nun mit seinem aktuellen Programm „Richtig Fremdgehen“ Tipps für befriedigende Affären. Und verweist unter anderem auf ein Beispiel aus dem Tierreich.
Letztlich wollen alle Menschen nach Ansicht Schröders nur das eine: Bonobos sein. „Die sind nur am Dübeln“, erklärt er. Kein Krieg, kein Hass, kein Neid. Make love, not war – bei den Affen
funktioniert das offenbar. Zumindest hat Atze das neulich in einer Fernseh-Dokumentation gesehen. „Da hab ich geheult vor Glück.“ Und begriffen, dass der Homo Sapiens, wenn er denn wirklich so
weise wäre wie sein Name andeutet, das Gleiche machen würde. Also wird die Show, die der Lockenkopf am Anfang als hochmoralisch und besonders frauenfreundlich anpreist, zu einem Statement für
sexuelle Freizügigkeit. Fremdgehen ist kein Problem, man sollte sich nur nicht erwischen lassen. Und es nur dann tun, wenn es sich lohnt. Was für beide Geschlechter gelte. Gerade Frauen seien
inzwischen viel anspruchsvoller geworden, räsoniert Atze – und reduziert die Diskussion gleich wieder auf die Optik, auf die behaarte Männerbrust und den gepflegten Glockenraum. Innerlich Bonobo,
äußerlich Ken. Oder Barbie.
Gerne wird Atze Schröder dabei so richtig ordinär, versucht alles, um das Niveau noch weiter zu senken. Wie tief kann eine Zote gehen? Sehr tief, wenn sich der Essener Proll-König ihrer annimmt.
Genau das erwartet aber auch das Publikum, johlt und jubelt bei jeder Pointe und wird dennoch immer dann, wenn besonders kräftig gelacht und geklatscht werden soll, vom Saallicht bestrahlt,
während Atze auf der Bühne erwartungsvoll gestikuliert. Spätestens nach der Pause ist dies aber gar nicht mehr nötig, da das Tempo noch einmal angezogen wird und die Schlüsselloch-Geschichte
Atzes über seinen eigenen Seitensprung mit der „Edel-Milf“ Renate, bei der wirklich jedes Detail ausgiebig beschrieben wird, von seinen Fans noch begeisterter gefeiert wird als all sein mitunter
einfach nur peinliches Promi-Bashing aus der ersten Hälfte des Programms. Das ist es, was die Masse will. Verbal-Pornos für alle.
Dabei versucht Atze dezent, sich ab und zu darüber zu erheben. Er spricht über Religion und über unterschiedliche Kulturkreise, nur sehr dezent, aber immerhin. In einem Interview mit der Zeitung
„Die Welt“ hat der Mann hinter der Maske beziehungsweise unter der Perücke offenbart, dass ihn die Fremdenangst in Deutschland stört und dass er gerne auch mal eine Stunde durchschimpfen würde.
Ob sein Publikum diese Wandlung allerdings mitmachen würde, erscheint nach den Reaktionen in der Beethovenhalle fraglich. Das ist eben die Kehrseite der Bonobo-Medaille. Rammeln statt denken,
genau das empfiehlt Atze Schröder doch derzeit seinen Fans, macht sich selbst zum Proll und damit zum Ober-Affen, über den die Menge unentwegt lachen kann. Am Ende gehen die Fans wie von Atze
versprochen mit schmerzendem Zwerchfell nach Hause. Nicht mit mehr. Aber eben auch nicht mit weniger.
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