Schon der Titel macht stutzig. „Hoffnungslos optimistisch“ will Christoph Sieber angeblich sein, zumindest hat er so sein neues Programm genannt, das jetzt im Pantheon seine Premiere gefeiert hat. Doch welcher politische Kabarettist kann momentan ernsthaft so eine Einstellung vertreten? Optimismus angesichts von Flüchtlingskatastrophe, Sozialstaatsabbau und Werteverfall? Da schüttelt selbst Sieber resigniert den Kopf. Andererseits: Einfach aufgeben, den Kopf in den Sand stecken oder vor dem nächsten großen Knall noch schnell in ein tropisches Steuerparadies fliehen? Kann und will der 45-Jährige nicht tun.
Also muss er sich zusammenreißen und weiter den Mahner in der Wüste geben, in der Hoffnung, vielleicht doch irgendwann die richtigen Leute so aufzurütteln, dass etwas passiert. Irgendwas. Und
nach zwei Stunden wird klar, dass zumindest das geschehen kann. Denn aus dem selbstverordneten Zwangsoptimismus heraus hat Sieber sein bislang stärkstes Programm geschrieben, das sich sowohl mit
den gnadenlosen Analysen eines Georg Schramm als auch mit der wortgewaltigen Eloquenz eines Jochen Malmsheimer ohne weiteres messen kann.
Antworten habe er keine, nur Fragen, sagt Sieber gleich zu Beginn. Keine „man müsste einfach mal“-Phrasen, keine einfachen Auswege. Dafür ist alles schon zu verfahren. Überall lauern Probleme,
doch hier in Deutschland machen wir lieber angesichts der brennenden Kloake die Tür zu und werfen den Schlüssel weg. Nichts hören, nichts sehen und trotzdem was Dummes sagen. So wie mancher
„besorgte Bürger“, bei dessen Anblick Sieber über jeden Migranten dankbar ist, der uns mit diesen Leute nicht alleine lässt. Auch eine Art von Solidarität in einer Welt, die zunehmend ihre
Humanität verliert und sich lieber dem Profit unterordnet. „Wenn der Preis zur Maxime wird, bleibt der Wert auf der Strecke“, sagt Sieber in einem anderen Zusammenhang – der Satz passt trotzdem.
Richtig zynisch wird es dann, wenn der Kabarettist kurz mal in eine andere Rolle schlüpft, zum schmierigen Reichen wird und fordert, sich frei zu machen vom Geld, nur um im Anschluss die für ihn
entscheidende Frage zu stellen: „Arme, Alte, Ausländer – ist das rentabel oder kann das weg?“
Ohnehin liebt Sieber es, über den Menschen im Zeitalter von Kapitalismus und Digitalisierung zu philosophieren. „Geld zersetzt die Moral“, propagiert er, und die Technik den Verstand. Den Glauben
an Algorithmen teilt er nicht, Google und Amazon sind ohnehin Monster, und jede zusätzliche App macht den Nutzer mehr zum Depp. Kommerz und Entmündigung gehen Hand in Hand, während an den Schulen
einer NASA-Studie zufolge systematisch die Kreativität abgetötet und durch Leistungseffizienz ersetzt wird. Man könnte das ja ändern. Doch welcher Lehrer würde das bei seinem Lohn tun wollen? „Es
ist symptomatisch für unsere Gesellschaft, dass wir jene, denen wir unsere Kinder anvertrauen, schlechter bezahlen als jene, denen wir unser Geld anvertrauen“, stellt Sieber ernüchtert fest.
Optimismus versprüht er in diesem Moment nicht mehr. Dafür steht Pandoras Büchse schon viel zu weit offen. So bleibt denn am Ende nur eins: Die Hoffnung. Immerhin.
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