Unverständnis kann manchmal ein echter Segen sein. Denn an zu viel Wissen kann selbst ein Mensch gewordener Gott zerbrechen: In Philip Roschers und Silinee Damsa-Ards Stück „Jesus Christ Superfluid“, das pünktlich zum 46. Geburtstags des Euro Theater Central seine Uraufführung feiern konnte, ist genau dies das Schicksal der Titelfigur (Rudy Orlovius), einem versoffenen Wrack, das mit der Bedeutungslosigkeit des Lebens angesichts eines überwältigenden Nichts hadert.
„Fast alles ist nichts“, sagt er zu seinen beiden Geburtstagsgästen, die sich im Laufe der knapp einstündigen Handlung als gealterte Maria Magdalena (Petra Kalkutschke) und verzweifelter Apostel Thomas (Dmitri Alexandrov) herausstellen. Während der Wein in Strömen fließt, sucht jeder der drei nach der eigenen Existenzberechtigung und rechnet dabei mit dem Glauben ab, der keine endgültigen Antworten zu geben vermag. „Ich brauche etwas Konkretes, ein Dogma“, fordert Thomas irgendwann. Irgendetwas, das ihm Halt gibt in einer Welt, die sich nur noch durch Quantenzustände zu definieren scheint und durch Atome, die zu einem wesentlichen Teil eben aus Leere bestehen.
Es ist ein sperriges, metaphysisches Werk, das Roscher und Damsa-Ard im Auftrag des Euro Theater Central entwickelt haben, weitab vom ursprünglichen Thema („Wir wollten zur Weihnachtszeit
eigentlich etwas Besinnliches haben“, sagt Chefdramaturgin Ulrike Fischer im Rahmen einer kleinen Einführung) und mit mehr Fragen als Antworten. Doch genau darum geht es – um eben jenes
lebensnotwendige Nichtwissen, dank dessen die Realität noch einigermaßen erfassbar bleibt. Darauf muss man sich einlassen können und wollen, muss verstehen, dass man mitunter eben nichts
versteht, weil physikalische und philosophische Probleme von höchster Komplexität aufgegriffen werden. Die Premierenbesucher zeigten sich auf jeden Fall sowohl verwirrt als auch begeistert – und
führten am Ende noch einige tiefer gehende Diskussionen. Was könnte besser für das Stück sprechen?
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