Je später der Abend, desto schöner die Gäste, heißt es. Eine Binsenweisheit, die allerdings für New Model Army spricht. Die britischen Independent-Rocker haben bei ihrem traditionellen Kölner Weihnachtskonzert im Palladium am vergangenen Samstag eine Spätschicht eingelegt; erst um 22 Uhr, nach den Auftritten von Radio Havanna und The Godfathers, betraten sie die Bühne, um ihre Jünger zu beglücken. Doch das Warten hatte sich wie üblich mehr als gelohnt: Die hypnotisch pulsierenden Toms und anderen Drums rund um Michael Dean, die seit dem Album „Between Dog and Wolf“ den neuen Herzschlag der Army beschwören, sorgten einmal mehr für eine phänomenale Atmosphäre, in der Gitarren (Marshall Gill), Keyboard (Dean White) und Bass (Ceri Monger) ein prächtiges Klang-Gewitter bildeten. Und dazwischen Justin Sullivan, charismatischer Gründer, Frontmann und Seele der Army, dessen Intensität einfach unerreicht ist.
Wie schon im vergangenen Jahr verzichtete New Model Army weitgehend auf ein Best-Of-Programm: Stattdessen gab es eine Mischung aus zukünftigen Klassikern („Stormclouds“) und Songs, die bei anderen Bands, als B-Seiten betitelt, weitgehend in der Versenkung verschwinden wären („No Greater Love“, „Fate“). Doch das haben Sullivan und Konsorten eben nicht nötig. Die oft gesellschaftskritischen Titel, vollgestopft mit Metaphern, Bildern und Geschichten aus dem städtischen Raum, zündeten allesamt, nicht zuletzt dank der Stimm-Magie Sullivans. Der urbane Schamane war so präsent wie eh und je, prangerte lautstark Ungerechtigkeiten an, rezitierte einmal sogar einen Text mehr als wütendes Gedicht denn als Lied – eine mächtige Beschwörung, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Diese kritischen Stimmen sind ohnehin viel zu selten geworden. Doch für New Model Army gehören sie zu jedem Konzert dazu. Auch wenn dieses bis kurz vor Mitternacht dauert. Die Botschaft schläft eben nicht. Und das ist gut so.
Kommentar schreiben