Das dürfte so manchem patriotischen Rheinländer bitter aufstoßen: Ausgerechnet die Preußen, diese angeblich so stocksteifen, bierernsten, protestantischen ehemaligen Besatzer, haben die Region erst formal gegründet? Und den Karneval gleich mit? Nein, Nein, Nein, so geht das nicht. Doch auch wenn sich Fritz Litzmann alias Rainer Pause während der alljährlichen kabarettistisch-journalistischen Schiffstour mit der MS Anja, mit der das Bonner Pantheon aus der Sommerpause zurückkehrt, noch so vehement gegen diese in seinen Augen blasphemischen Behauptungen wehrte, gelang es ihm nicht, den Historiker – und Westfalen – Martin Stankowski zu erweichen und vom Gegenteil zu überzeugen. Zumal es hätte schlimmer kommen können. Denn ursprünglich sollte Bonn sächsische Hauptstadt werden! Dann doch lieber die Hassliebe zu Berlin. Die ist, wie Litzmann in einer kleinen Gesangseinlage demonstrierte, besser zu ertragen.
Auf der ausverkauften Jungfernfahrt des neuen Programms „Liebe Feinde. 200 Jahre Preußen am Rhein“hätte das Duo Pause/Stankowski somit für einen rundum vergnüglichen Abend gesorgt – wenn da nicht
Service-Probleme gewesen wären, die vor allem zu Beginn der Reise in Richtung Unkel für einigen Unmut sorgten. Da im Gegensatz zu früheren Jahren statt eines Buffets in der Pause das Essen am
Tisch serviert wurde, klapperten Besteck und Geschirr, was zusammen mit den beschränkten technischen Möglichkeiten auf dem Schiff zu so einigen Verständnisschwierigkeiten führte. Auch das
offenbar überforderte Gastro-Personal, das zumindest in einem Fall schlichtweg unverschämt agierte, lieferte keine Glanzleistung ab: Manche Gäste warteten über eine Stunde auf ihre Getränke oder
wurden schlichtweg vergessen, was der Stimmung nicht gerade zuträglich war. Erst nach Abschluss des Essens wurde es besser – zumal auch der kabarettistisch leider allein agierende Pause und der
Historiker Stankowski, der zwischendurch zwei kurze Gespräche mit dem Archäologen Heinz Günter Horn und dem Volkskundler Georg Möhlich führte, sich so weit warmgeredet hatten, um ihr aufklärendes
Streitgespräch mit deutlich mehr Elan zu führen als zu Beginn der Veranstaltung.
Lehrreich war die dreistündige Fahrt, die vom Anleger am Bundeshaus aus startete, durchaus: Hier die ehemalige und inzwischen längst verfallene Stadthalle an der Gronau, bei deren Anblick
sogleich die Diskussion um Festspielhaus, Beethovenhalle und die Zukunft des Pantheons (das auf der Suche nach einer neuen Wirkstätte ist) ins Gedächtnis gerufen wurde; dort die von den Preußen
gesprengten Unkelsteine. Dazu zahlreiche Anekdoten, etwa über den Siegburger Zeughaussturm und den massiven Widerstand der Kölner gegen die anrückenden Besatzer, der sich aus vielen
Unmutsbekundungen und wenigen Taten zusammensetzte. Und über den Rosenmontagszug, für den ein preußischer Dragoner sein Pferd und andere Militärs Wagen und vor allem Uniformen zur Verfügung
stellten – auch hier haben sich die Berliner eingemischt. Und etwas Gutes vollbracht. Insofern haben die Rheinländer ihren Erzfeinden viel zu verdanken. Ob sie es mögen oder nicht. Selbst Fritz
Litzmann musste bei der Premiere letztlich kapitulieren und ein „Danke“ in Richtung Berlin rufen. Es hätte schließlich schlimmer kommen können.
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