Das Unerklärbare sichtbar machen, ihm eine Form geben, die der Mensch zumindest ansatzweise nachvollziehen kann: Dieses Ziel eint Astrophysiker und den Künstler Ugo Dossi. Der Münchener ist fasziniert von den kosmologischen Modellen, die solch unvorstellbare Ereignisse wie eine Supernova oder die Verschmelzung zweier schwarzer Löcher beschreiben – und von den graphischen Darstellungen dieser komplexen Systeme, die wiederum die künstlerische Phantasie anregen. In einer Ausstellung im Kunstraum Villa Friede, die die Stiftung für Kunst und Kultur ins Leben gerufen und die der ehemalige Intendant der Bundeskunsthalle Wenzel Jacob kuratiert hat, zeigt Dossi nun Werke, in denen Wissenschaft und Kunst eine bemerkenswerte Symbiose eingehen. Aus dem Un-Sinnlichen weil nicht Erfahrbaren hat er so Sinnliches geschaffen, das er geschickt mit Illustrationen von Tarot-Karten als Ausdruck des Übersinnlichen kontrastiert.
„Dass eine einzige Linie die Kraft hat, im Betrachter Bilder, Emotionen und komplexe Zusammenhänge ins Leben zu rufen, ist aus meiner Sicht wirkliche Magie“, sagt Ugo Dossi immer wieder gerne. In
den nun ausgestellten 35 Arbeiten sind es allerdings Wellen und Kreise, die die Bilder beherrschen: Ergebnisse von Computersimulationen zur Gravitation oder zur Entwicklung von Materieverteilung
im Weltall. „Ugo Dossi verkürzt diese Modelle und setzt sie figurativ um“, erklärte Wenzel Jacob bei der Eröffnung, bei der auch der Vorsitzende der Stiftung für Kunst und Kultur, Walter
Smerling, und der ehemalige Bonner Kulturdezernent Jochem von Uslar zugegen waren. Wo genau der Übergang von Mathematik zu Kunst im Œuvre Dossis anzusetzen ist, wird nicht genau klar und spielt
eigentlich auch nur eine untergeordnete Rolle. Ohnehin gilt der 71-Jährige als Grenzgänger, der seine Kunst dafür nutzt, andere Betrachtungsweisen auf das Wesen des Kosmos zu kreieren und durch
den Schöpfungsakt gewissermaßen selbst permanent auf der Suche nach Erkenntnis ist. Es ist seine Sicht auf die Welt, die sich hier offenbart, seine Konkretisierung eines abstrakten mathematischen
Konstrukts.
So unkonkret die Modell-basierten Werke im Erdgeschoss der Villa Friede ohne eine weiterführende Erklärung wirken, so klar verständlich scheinen die großen Tarot-Darstellungen im ersten Stock zu
sein. Doch das täuscht: Die mit Allegorien und Metaphern aufgeladenen Bilder erfordern lediglich eine andere, aber letztlich nicht weniger komplexe Lesart, die nur deshalb leichter wirkt, weil
die zentralen Motive des großen Arkanums (Kraft, Gerechtigkeit, Liebe, Tod) jedem Menschen ein Begriff sind. Was sie nicht weniger abstrakt macht. Übertrumpft wird dies nur noch von den
„automatischen Zeichnungen“, die unter dem Einfluss von Hypnose entstanden sind. „Sie sind Zeichen des Unbewussten“, erklärt Jacob, der offen zugab, dass diese Ausstellung von all denen, die er
bislang kuratiert hat, die Schwierigste gewesen sei. Und die reizvollste. Beides ist nachvollziehbar. Weltmodelle machen es einem eben nie leicht.
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