Musik liegt in der Luft. Und Schweiß. Gerade fliegt ein junger Kanadier am Trapez über den Köpfen des Pantheon-Publikums umher, turnend, tanzend, sich verknotend. Akrobatik auf hohem Niveau. Natürlich ist diese Nummer nur ein kleiner Baustein des beliebten Varietéspektakels, das zum inzwischen achten Mal in dem Bonner Kleinkunsttempel residiert und in diesem Jahr die Welt des guten alten Schlagers mit meisterhafter Körperbeherrschung und allerlei Skurrilitäten verbindet. Initiator Stephan Masur hat einmal mehr sieben hochkarätige junge Künstler aus Deutschland und der Welt versammelt – und mit seinem Programm genau ins Schwarze getroffen. Der Saal tobt und jubelt wie selten zuvor, fasziniert und verzaubert von der Mischung aus Clownerie und Artistik, die den Zuschauern mitunter schlichtweg den Atem raubt.
Vor allem bei zwei Nummern wird dem ein oder anderem im Saal durchaus mulmig: Als die Finnin Veera Kaijanen, die gerade erst von einem dreijährigen Gastspiel des Cirque du Soleil aus den USA
zurückgekehrt ist, wie eine Ballerina auf Spitze über ihr Drahtseil tänzelt, geht ein Raunen durch die Menge, und als sich der Extrem-Limbotänzer und Kontorionist Santos mit seinen 1,85 Metern
Größe in eine 45 Zentimeter hohe Glasbox zwängt, kann man sich einem eigenen Gefühl der Beklemmung nicht erwehren. Diese Biegsamkeit und Körperbeherrschung ist wahrlich bemerkenswert – und auch
ein bisschen unheimlich. Dabei sind die meisten anderen Nummern des unter dem etwas irreführenden Titel „Einmal um die Welt“ stehenden Varietéspektakels (gemeint ist das gleichnamige Lied von
Mary Roos) eher raumgreifend denn einschränkend. Mikail Karahan jagt in dem „Cry Wheeler“ genannten Eisenring über die Bühne, Marco Noury nutzt Luftring und zwei glitzernde Seile, um sich in die
Höhe zu schrauben, und Hugo Duquette ist der bereits erwähnte Trapezkünstler.
Trotz aller technischen Brillanz der Akrobaten ist es doch eine andere Künstlerin, die das Herz des Publikums am meisten rührt. Die Pantomime-Auftritte der charmant-niedlichen Kölner Clownin Nele
Jäger sorgen ein ums andere Mal für Verzückung – ihre Karaoke ohne Worte ist so bezaubernd einfach und doch so einzigartig umgesetzt, dass der 29-Jährigen alle Herzen zufliegen. Selbst ein
Schlager-Quiz während einer Umbaupause, oft ein klassischer Stimmungskiller, gerät so zu einem der Höhepunkte der Show. Dagegen hat Moderator Masur in seinen magischen Minuten mächtig Pech,
wollen doch die Riesen-Seifenblasen, die er mit den Händen und einem überdimensionalen Ring gestaltet, nicht so ganz mitspielen. Derartige Kleinigkeiten trüben den Gesamteindruck aber ebenso
wenig wie das etwas zu klamaukige Nanaische Spiel Santos, bei dem dieser in dem Kostüm zweier Puppen gleichzeitig steckt. Zugegeben, zum Schlager passt auch eine derart überzeichnete Nummer ganz
gut – zumal das Publikum auch diese ausgelassen feiert. Am Ende gibt es dann zu Recht frenetischen Applaus, stehende Ovationen und Zugabe-Rufe, die in einem gemeinsamen Tänzchen auf der Bühne
münden, die einige Zuschauer kurzerhand stürmen. Das muss man auch erst einmal schaffen. Insofern dürfte das Varietéspektakel wie schon in den vergangenen Jahren ein Kassenmagnet werden. Es lohnt
sich also, sich rechtzeitig Karten zu sichern.
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