Sie haben es immer noch drauf: Seit mehr als 20 Jahren sorgen die Wise Guys mit ihrem Vokalgesang dafür, dass a-cappella-Musik in Deutschland mehr als nur ein Nischendasein fristet. Das Kölner beziehungsweise inzwischen Hürther Quintett füllt große Säle wie zuletzt wieder die Beethovenhalle und sorgt beim Publikum, das vom Vorschulkind bis zum Senior alle Generationen umfasst, ein ums andere Mal für Jubelstürme. Zu recht, mag man mitunter sagen – und dann doch wieder mit dem Kopf schütteln angesichts eines oft albernen Humors und Liedern, die ihre Nähe zum Schlager kaum verhehlen können.
Dabei offenbaren die Wise Guys auch auf ihrem aktuellen Album „Läuft bei euch“ die beiden Extreme. Auf der einen Seite das zäh wirkende, banale „Gaffen“ und ein im Karneval durchaus veritables,
ansonsten aber nur absurdes „Liebelein“, auf der anderen das fantastische „Wo bist du?“, in dem Tenor Nils Olfert einer verlorenen Freundschaft hinterhertrauert – ein textlich und musikalisch
intensives Werk, das mit zum Besten gehört, was die Schlaumeier jemals geschrieben haben. Selbst das schöne, fast schon ein wenig schmalzige „Ein Engel“ oder das Zach-Gill-Cover „Watch Them
Grow“, bei dem Bass Andrea Figallo mit wunderbar weicher, sonorer Stimme die Führung übernimmt, können damit nicht ganz mithalten. Höhepunkte des Abends sind die drei Titel aber allesamt. Geht
doch.
Die Erziehungsmethoden der Wise Guys funktionieren dagegen weniger: Weiterhin zücken Menschen ihre Handys, um das Bühnengeschehen mit Fotos und Videos festzuhalten, obwohl Sari mit seinem
„Selfies“-Song genau dies persifliert hat (wenn auch leider ohne echten Witz und mit einem nur mäßigen Arrangement). Und weiterhin klatscht das Publikum konsequent auf die eins und die drei, ob
das Eddie nun abtörnt oder nicht. Andererseits sind die Wise Guys oft selbst schuld, haben sie doch gerade in den vergangenen Jahren zunehmend die Unart übernommen, penetrante Dancefloor-Beats
unter jedes einigermaßen tanzbare Lied zu kleistern oder in eine Hektik zu verfallen, die die Zuhörer unweigerlich zum rhythmisch möglichst schlichten Zusammenschlagen der Hände animiert. Traurig
ist dies vor allem dann, wenn inhaltlich mehr zu erwarten gewesen wäre: Bei „Rock 'n' Roll ist tot“ bleibt dieser tatsächlich auf der Strecke, weil die Wise Guys das melodisch schlichte Stück
scheinbar möglichst schnell hinter sich bringen wollen, statt ein bisschen Coolness an den Tag zu legen.
Die Ernüchterung fällt noch deutlich stärker aus, wenn die echten Klassiker ertönen, die die Wise Guys wieder ins Repertoire aufgenommen haben. „Sonnencremeküsse“ überragt etwa 95 Prozent der
aktuellen Songproduktion bei weitem, auch wenn das Quintett dabei noch deutlich knackiger agieren könnte. Und auch „Sing Mal Wieder“ hat nichts von seinem Charme verloren. Diese immerhin zwölf
Jahre alten Stücke sollten der Maßstab sein, nicht die frenetisch bejubelte Heimwerker-Hommage mit dem Unheilig-Cover „Geboren Um Zu Leben“, das auch noch jene Dynamik vermissen lässt, die das
Original bei allem kritisierbaren Pathos zu einem bemerkenswerten Live-Erlebnis werden lässt. Mehr Songs auf altem Niveau und weniger austauschbares Pop-Gedudel, das wäre toll. Mit „Wo bist Du?“
haben die Wise Guys bewiesen, dass sie das können.
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