85 und kein bisschen leise: Das Wort „Ruhestand“ scheint im Wortschatz von Chris Barber schlichtweg nicht zu existieren. Wozu auch? Dafür brennt der legendäre Posaunist und Bandleader viel zu sehr für den Jazz und kann von der Bühne einfach nicht genug kriegen. In der Stadthalle Bad Godesberg hat er nun das gewohnte klassische Programm präsentiert, für das er bis heute steht: Traditioneller New-Orleans-Jazz, Skiffles und Ragtimes, viel von Duke Ellington und sogar ein Standard von Miles Davis („All Blues“). Mit seiner exzellenten, nur manchmal etwas zu brav spielenden Big Chris Barber Band sorgte der Brite mit der Nuschelstimme bei dem doch eher älteren Publikum für Stimmung.
Die war auch dringend nötig – denn während musikalisch alles stimmte, offenbarten sich organisatorisch massive Probleme. Manche Stuhlreihen fehlten, immer wieder schleppten Besucher eigenhändig
Stühle in den Saal, nur um am Ende festzustellen, dass fast ein kompletter Block unbesetzt blieb. Verantwortlich zeigte sich keiner, Beschwerden seien an den Veranstalter zu richten. Und der
steckte angeblich im Stau. Dementsprechend ungehalten waren einige Gäste, die in dem Stuhlchaos eine mangelnde Professionalität sahen. Die ersten Töne der Big Chris Barber Band konnten diesen
Ärger aber schnell verstreuen. Immer wieder gab es Zwischenapplaus, insbesondere für den Niederländer Bert Brandsma, der an Klarinette, Tenor- und Bass-Saxofon ein ums andere Mal brillierte. Aber
auch Co-Posaunist Bob Hunt und Trompeter Mike Henry setzten geschickt Akzente.
Kurz vor der Pause holte Chris Barber schließlich noch einen besonderen Gast auf die Bühne: Tom Gaebel, der kurzerhand von Köln nach Bad Godesberg gekommen war, sorgte mit seiner markanten,
klaren Stimme für einen schönen Kontrast. Neben „All Of Me“ sang er den durch Frank Sinatra berühmt gemachten Titel „When You're Smiling“ und verbeugte sich so vor Ol' Blue Eyes, der vor kurzem
100 Jahre alt geworden wäre. Einen gemeinsamen Auftritt von Gaebel und Barber gab es allerdings nicht. Dafür legte letzterer in der zweiten Konzerthälfte noch einmal eine Schippe drauf, gab
Vollgas und landete schließlich bei seinem Markenzeichen: „Ice Cream“. Geht auch im Januar.
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