Nur nicht aufgeben. Nicht unten bleiben. Immer weitermachen. Durchziehen. Kämpfen. Für sich selbst, gegen alle Widrigkeiten. Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann hat genau dies getan: Der deutsche Boxer avancierte in den späten 20er und frühen 30er Jahren zum Publikumsliebling, der mit seinem tänzelnden, schnellen Stil zahlreiche Siege einfuhr und auch den Deutschen Meistertitel errang, der ihm jedoch nur wenige Tage später wieder aberkannt wurde. Denn Trollmann war Sinto, und einen „Zigeuner“ konnten und wollten die Nazis nicht als Champion akzeptieren. Nun hat Regisseur Stefan Herrmann die Biographie des Faustkämpfers nach dem Stück „Trollmanns Kampf“ von Björn Bicker auf die Bühne der Brotfabrik gebracht – und dem Schicksal des Verfolgten das von vier 16 bis 20 Jahre alten Flüchtlingen gegenübergestellt.
Tipet Baah, Bob Jara, Yazdan Bahadauri und Rahmatollah Rezaei stehen an diesem Abend auf der Bühne, kochen gefüllt Teigtaschen namens Bolani und erzählen bei zwei Gelegenheiten von ihrem Leben.
Von ihrer Odyssee aus ihren Heimatländern Ghana, Mali und Afghanistan, von der Perspektivlosigkeit und der Ausgrenzung, die sie auf den Stationen ihrer Reise erlebten und – mit Texttafeln – von
ihren Hoffnungen und Träumen hier in Deutschland. Es ist ein passender Rahmen für die Geschichte Rukelis, ohne dabei aufgesetzt oder bemüht zu wirken. Herrmann forciert nichts, drückt nicht auf
die Tränendrüse oder übertreibt es mit der momentan allgegenwärtigen Flüchtlingsthematik, nutzt aber das Momentum dieser vereinzelt eingestreuten Beiträge geschickt aus, um die Geschehnisse um
Trollmann mit einem ganz bestimmten Schlaglicht zu versehen. „Jeder kämpft seinen eigenen, einzigartigen Kampf“, schreibt er im Programmheft. „Und ich habe den größten Respekt für diejenigen, die
in der achten Runde zu Boden gehen und dennoch wieder aufstehen.“
Trollmann war so ein Kämpfer. Einer, der die Anfeindungen ignorierte, die ihm Zeit seines Lebens entgegenschallten, und einfach boxte. Ein bisschen naiv wirkt das mitunter, aber auch ehrlich.
Diesem Sportler verhilft Lucas Sánchez, der in den vergangenen zwei Jahren zu einem der stärksten freien Schauspieler Bonns geworden ist, mit einer überragenden Darbietung zu neuer
Aufmerksamkeit. Mit einem exzellenten Gespür für Stimmungen zeigt er Rukeli als unbekümmerten Träumer, der der politischen Wirklichkeit erst gewahr wird, als es schon zu spät ist; er skizziert
den einen Außenseiter und das Ausnahmetalent, das 1932 den hünenhaften Walter Sabottke in der zweiten Runde vor den Augen von Hans Albers und Max Schmeling ausknockte; und er porträtiert einen
Mann, der zu einem prominenten und dann lange in Vergessenheit geratenen Opfer ethnischen und sozialen Rassismus der NS-Zeit wurde. Erst 2003 hat der Bund Deutscher Berufsboxer Rukeli Trollmann
den Deutschen Meistertitel nachträglich zuerkannt, nachdem eine Fernsehjournalistin sich für den Fall interessiert hatte und ihn wieder in die Öffentlichkeit trug. Sánchez spielt all diese
Facetten herrlich unaufgeregt aus, wirkt authentisch und gerade dadurch so überzeugend. Sein Rukeli ist ein Verfolgter, der immer um die Hoffnung kämpft. Das hat er mit den Flüchtlingen von heute
gemeinsam. Wie es weitergeht, das ist nur eine Frage der Menschlichkeit.
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