Mundstuhl: Druckbefreite Aggressionen

Logik? Wird überschätzt. Die Wirkung ist es, die zählt. 50 Jahre Mundstuhl klingt nun einmal besser als 20 Jahre. Zumal sich die beiden Brachial-Komiker Lars Niedereichholz und Ande Werner schon seit 25 Jahren kennen, mal zwei, dann stimmt das Ergebnis. Mathe kann so hilfreich sein. Doch egal wie man es dreht und wendet, es ist eben Zeit für eine Jubiläums-Tournee, die das Frankfurter Duo unter dem Titel „Mütze-Glatze. Simply the Pest“ auch ins ausverkaufte Haus der Springmaus geführt hat. Dort feiern die unverbesserlichen Chaoten nun mit all ihren Alter Egos – und jeder Menge „Söftdrinks“.

Geändert hat sich eigentlich relativ wenig: Lars, inzwischen wieder mit wallender Mähne, und Ande versuchen immer noch, sich gegenseitig in allen nur denkbaren Bereichen zu überbieten (Wer war ärmer? Wer ist härter?), und auch ihre Figuren sind weitgehend in ihren Klischees steckengeblieben. Die Kultkanacken Dragan und Alder werden wohl auf ewig die beschränkten Autonarren mit dem „Schipirit-Problem“ bleiben, während der cholerische Andi, dieses Tarnkluftbemäntelte HB-Männchen mit dem Aggressionspotenzial einer ganzen Kampfhund-Meute, seine adipöse Freundin in Grund und Boden wie gewohnt verdammt. Immerhin greifen zumindest die Jungmütter Peggy und Sandy in ihrer ostdeutschen Plattenbausiedlung aktuelle Themen auf: Sohn Justin, der sonst eigentlich mit seinen kurzgeschorenen Haaren und den festen Schuhen so schön ordentlich aussieht, hat sich jetzt ein Hakenkreuz auf die Stirn tätowiert und sympathisiert mit Pegida. Wenn das mal nicht die Chancen auf einen guten Ausbildungsplatz schmälert bei all den intoleranten Arbeitgebern. Aber so lange der Junge mit ihrem neuen afrikanischen Liebhaber klarkommt, ist Peggy alles recht.

Überhaupt greifen Mundstuhl überraschend häufig das Thema Flüchtlinge auf – und beziehen mit geschickt gesetzten Anspielungen relativ deutlich Position. Vor allem die beiden verpeilten Fruktarier-Friedensaktivisten Torben und Malte alias No Pressure setzt mit dem Mitmach-Lied „Nett Zu Dunkelhäutigen Menschen“ ein Zeichen und lässt die rechte Seite des Saals geschlossen den Refrain schmettern. „Weil wir das schaffen, schaffen wir das“, feuern sie den Publikumschor in bester Merkel-Manier an. Schade nur, dass ausgerechnet in dieser Nummer Lars und Ande einen Hänger zu haben scheinen. „So drucklos waren wir noch nie“, gestehen sie. Da könnten sie Recht haben.

Immerhin gibt das Duo ansonsten Gas, wenn auch in der Regel mit tiefergelegtem Niveau. Diverse Einspieler sind eher albern und banal als wirklich unterhaltsam, manche Sketche auch. Schön ist allerdings, dass Lars und Ande immer noch gut über sich selbst lachen können, dabei mitunter schlichtweg aus ihren Rollen fallen oder zu improvisieren beginnen, was meistens zu der vorherigen Beobachtung führt. Etwa 90 Minuten halten die beiden das durch – kurz für ein Best-of-Programm, zumal das begeisterte Publikum gerne noch mehr gesehen und gehört hätte. Andererseits ist bereits alles gesagt, sind alle Kalauer und sinnentlernten Gags verbraucht. Und zu viel Mundstuhl ist ohnehin nicht gesund. Lieber eine kleine Dosis, das genügt. Schließlich ist es die Wirkung, die zählt.

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Kommentare: 4
  • #1

    Heike und Michael Eh (Sonntag, 11 März 2018 11:51)

    Wir waren gestern in Stuttgart in der Vorstellung und wir fanden es zum größten Teil einfach nur geschmacklos, primitiv und wirklich nicht schön und unterhaltsam, lachen konnten wir nur ungefähr zwei bis dreimal und das auch nicht wirklich herzlich. Da wird nur auf Randgruppen rumgetrampelt und völlig geschmacklose Witze auf Kosten derer gemacht. Als einer der beiden Herren auch noch seine Hose so runtergelassen hat, dass man den halben Hintern sehen konnte, fand ich das nur noch abstoßend und ekelhaft, mich hat es geschüttelt. Fotos von ziemlich dicken, leichtbekleideten Frauen wurden uns auch noch präsentiert, welche mit Ästhetik rein gar nichts zu tun hatten aber gut... die Geschmäcker sind ja bekanntlich Von uns werden diese beiden Herren mit Sicherheit keinen einzigen Cent mehr sehen.
    Trotz allem hat es wohl der Mehrzahl der Besucher gefallen, so wie die über diese flachen, nivieaulosen Witze gelacht und geklatscht haben. Ich war nur froh, dass ich beim Herausgehen mitgekriegt habe, dass es nicht nur uns so ergangen ist, ich hatte schon an uns gezweifelt und gedacht, bei uns stimmt was nicht mehr, was unseren Humor anbelangt. Ein paar Menschen haben die Veranstaltung auch vorzeitig verlassen, was ich mit Sicherheit auch getan hätte, wenn die noch weitergemacht hätten. Fazit von uns: "Nein Danke, nie wieder!!!"

  • #2

    Thomas (Montag, 12 März 2018 08:02)

    Ja und die Zugabe war auch echt schlecht.

  • #3

    Tabitha (Mittwoch, 09 Oktober 2024 20:49)

    Leider habe ich den oberen Eintrag zu spät gelesen.
    Ich habe ebenfalls einen Auftritt von Mundstuhl besucht und war sehr enttäuscht.
    Wie soll so viel Diskriminierung nur lustig sein?
    Was sollen Menschen denken, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, wenn darüber Witze gemacht werden?
    Welche Menschen mit Behinderung können über solche Geschmacklosigkeiten hinwegsehen?
    Die schlechteste Comedy, die ich je erlebt habe.
    Kann ich absolut nicht weiterempfehlen.

  • #4

    Achim (Samstag, 12 Oktober 2024 22:50)

    Ich kann die anderen Kommentare nur unterstreichen, die Witze sind so flach dass man sie sogar unter einer zugemauerten Tür durchschieben kann. Selbst wenn ich dafür bezahlt würde, das tue ich mir sicher nicht mehr an, wir sind nach einer Stunde gegangen weil es nicht mehr zu ertragen war. Wenn das die erste Veranstaltung des ZAP gewesen wäre die ich besucht hätte, ich wäre bestimmt kein Stammkunde geworden. Aber sie waren ehrlich, der erste Witz mit der, wegen des Towers, eisfreien Landebahn am Frankfurter Flughafen war zwar schon schlecht, leider trotzdem der Beste!