Die Ängste sind groß: Wie wird es da jenseits der Grenze sein? Heißer als in der bald völlig in Trümmern liegenden Heimat? Oder kälter? Wird man sich da verstehen – und wird man als Pantheonike von den Beueler Wilden überhaupt akzeptiert? Diese Fragen treiben Fritz Litzmann (Rainer Pause), den Alterspräsidenten der FKK Rhenania, und seinen Präsidiumskollegen Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich) derzeit beim legendären Pink Punk Pantheon um. Doch es hilft alles nichts, bald müssen sie rüber machen in den Nahen Osten, auf die andere Rheinseite, in die Terra Incognita.
Bleiben können sie nicht: Ihre angestammte Wirkungsstätte, geliebtes Kellerloch und antiker Tiefkulturtempel, soll ja gesprengt werden, und im Forum Süd der Beethovenhalle würde die
Kleinkunstbühne, so zitiert Litzmann Beethovenfest-Chefin Nike Wagner, „der Entwicklung der klassischen Musik in Bonn schaden“. Was allerdings für die Kongresse von Kleintierzüchtern nicht zu
gelten scheint. Also haben die Ensemblemitglieder der beliebtesten alternativen Karnevalsrevue der Stadt keine andere Wahl, als zu Flüchtlingen zu werden und in der auserkorenen neuen Heimat auf
einen Neuanfang zu hoffen.
Dies ist jedoch kein Grund, in der Abschiedssession wehmütig zu werden. Ganz im Gegenteil. Der Pink Punk Pantheon hat schließlich einen Ruf zu verlieren. So wird denn unter der Regie von Molly
Spitta wieder fröhlich alles durch den Kakao gezogen, was im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt hat: das Klimaschutz-Abkommen von Paris mit der Beschränkung auf eine Temperaturerhöhung zwei
Grad, was Pinguinen und Schneewittchen nicht genügt; das Wunder der WCCB-Fertigstellung; die vergangenen und zukünftigen FIFA-Skandale; die Terminknappheit im Stadthaus, die dank engagierter
investigativer Recherchen als Machenschaften der Zeitmafia entlarvt werden; und das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP, dessen genauer Entwurf so geheim ist, dass die Sicherheitsmaßnahmen jedes
mexikanische Hochsicherheitsgefängnis vor Neid erblassen lassen dürften.
Natürlich widmet sich der Pink Punk Pantheon auch intensiv den Flüchtlingsströmen aus Syrien und anderen Ländern – da sich das Team bald selbst in einer ähnlichen Situation wähnt, fühlt es sich
besonders sensibilisiert. So stecken denn hinter dem offenkundigen Spaß durchaus ernste Töne, wird die Sensationsgier der Medien ebenso kritisch betrachtet wie die Ausländer-Phobie, die
allerdings, wie ein Experiment auf offener Bühne zeigt, mit Eierlikör und einer starken Führung radikal ausgemerzt werden kann. Eine großartige Nummer, bei der vor allem Hagen Range als
zwangsgestörter Bernd glänzt. Letzterer, erst seit der vergangenen Session mit an Bord, entwickelt sich ohnehin langsam zum Star der Revue, brilliert er doch an der Seite von Beate Bohr auch als
Senior, der im hohen Alter – der modernen Medizin sei Dank – noch einmal Vater geworden ist. Dumm nur, dass er eigentlich einen Hund wollte und dies auch ähnlich vehement artikuliert wie Opa
Hoppenstedt. Herrlich!
Auch auf musikalischer Seite läuft alles wie am Schnürchen. Die wie üblich souveräne Band macht alles mit, ob es nun Sia Korthaus' Hohelied auf die Adenauerallee ist (warum auch immer), Norbert
Alichs grandioses „All Of Me“ oder die frenetische, leider völlig unrhythmische Trommel-Ekstase von Beate Bohr, der Tunç Denizer mit hervorragendem Gesang antwortet. Jeder Jeck ist halt anders.
Aber alle irgendwie liebenswert. Mit dieser Einstellung dürfte das Ensemble selbst auf der Schäl Sick schnell heimisch werden.
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