Tanzen ist in der Philharmonie Köln nicht ganz so einfach: Auf den Gängen verhindern Mitarbeiter des Hauses rigoros ein derartig enthusiastisches Treiben, und in den Stuhlreihen ist der Platz nun einmal beschränkt. Andererseits geht die Musik der Fanfare Ciocărlia (den Namen könnte man mit "Lerchenband" übersetzen) einfach ohne Umwege in die Beine – jeder Ton der Roma-Band, die als eine der Urquellen des beliebten Balkan Beats gilt und die anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens und ihrer 2015 zusammen mit dem kanadischen Gitarristen Adrian Raso aufgenommenen CD "Devil's Tale" in die Domstadt gekommen ist, fördert unweigerlich den Bewegungsdrang. Es bleibt also nur das frenetische Mitwippen, zu dem sich wirklich jeder Besucher hinreißen lässt. Zumindest sofern man nicht, wie einige Fans es vormachten, zwischen den Stühlen zu tanzen versteht.
Schon die Geschichte der Fanfare Ciocărlia steht für sich – und beginnt mit einem Sprung aus einem fahrenden Zug. 1996 wagte der deutsche Toningenieur Henry Ernst, der auf der Suche nach
traditioneller Dorfmusik war, diese im rumänischen Nirgendwo rund um das 400-Seelen-Dorf Zece Prăjini offenbar übliche Ausstiegsvariante. Dort, so hatte man ihm gesagt, gäbe es eine Roma-Band,
die von westlichen Klängen weitgehend unbeeinflusst sei. Doch was ihn vor Ort erwartete, hätte selbst er nicht erwartet: Fetzige Volkstänze mit türkischen, bulgarischen, serbischen und
mazedonischen Elementen in einer wahnwitzigen Geschwindigkeit. Ernst war begeistert, holte die Fanfare Ciocărlia nach Deutschland und legte damit den Grundstein zu einem internationalen Erfolg,
der die Band bis nach Japan, Neuseeland und eben Kanada führte.
Von dort haben die Blechlerchen nun Adrian Raso mitgebracht, einen herausragenden Saitenzauberer in der Tradition Django Reinhardts. Ihm zuliebe hält sich die Fanfare für ihre Verhältnisse immer
wieder zurück, lässt ihm und seiner Band in der Band Raum für fantastische Soli, nur um dann doch wieder loszupreschen und mit Vollgas in den fünften Gang zu gehen. Während vier Tubaspieler für
das nötige Volumen sorgen, verzieren die Trompeter und vor allem Saxofonist Oprică Ivancea mit etwa 180 Umdrehungen die Melodien. Dabei zeigen sich Raso und die Fanfare erfreulich
abwechslungsreich, präsentieren mal einen Tango, dann wieder ein von Country- und Tex-Mex-Einflüssen geprägtes Stück wie etwa der Titeltrack "The Devil's Tale" und natürlich die beliebten
Balkan-Turbo-Stücke. Das Publikum ist dementsprechend trotz der bestehenden Tanzeinschränkungen begeistert und spendet am Ende des gut 100-minütigen Programms zu Recht stehende Ovationen.
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