Es ist eine orgiastische Eruption von Blues- und Rock-Fontänen, hemmungslos und laut. Ein ekstatisches Spiel, das zwar weder filigran noch feinfühlig, nichts desto trotz aber äußerst virtuos genannt werden kann. Saitenmeister Joe Bonamassa, derzeit einer der populärsten Vertreter seines Fachs, hält sich eben nicht zurück – auch nicht in der Beethovenhalle, in der er sich an gleich zwei aufeinanderfolgenden Tagen erfolgreich austoben und insgesamt mehr als 3000 Besucher beglücken kann. Der 38-Jährige, dem B.B. King schon als Jugendlicher eine große Karriere vorhersagte, will es so richtig krachen lassen, schnell und hart, mit voll aufgedrehten Boxen und ohne Rücksicht auf Verluste. Soli ohne Ende.
Großzügig verspritzt er zwei Stunden lang sein Gitarren-Ejakulat, sehr zur Freude des Publikums, das mit brennenden Ohren und aufgerissenen Mündern die musikalischen Ergüsse würdigt, immer wieder
frenetisch jubelnd und doch dazwischen merkwürdig still. Andächtig? Oder einfach nur unberührt? Denn so beeindruckend auch Bonamassas Technik ist, so groß zweifelsfrei sein Können – eine
Verbindung zwischen Bühne und Saal, wie sie andere Künstler herzustellen verstehen, fehlt in dieser animalischen Zurschaustellung des Dionysischen leider zunächst.
Es mag an der selbst für ein Rock-Konzert übertriebenen Lautstärke liegen, die aus den Boxen hallt und die immer wieder Ansätze von differenziertem Spiel im Keim erstickt, es mag auch an dem
neuen Material liegen, das als Album unter dem Titel „Blues of Desperation“ am 25. März erscheinen wird und das noch nicht so selbstverständlich aus den Fingern tropft wie so mancher Klassiker,
doch zumindest die erste Hälfte des Konzerts wirkt seltsam gehemmt, mechanisch und nicht wirklich ehrlich. Die Soli sind solide, doch gerade für einen Gitarristen von Bonamassas Format ist das
schlichtweg zu wenig. Und auch wenn sich dies im weiteren Verlauf bessert, krankt das Konzert doch an einer immer wieder kippenden Balance. Laut kann Bonamassa, aber leise? Bei „Hey Baby“
versucht er es, setzt auf beschwörende Phrasen und landet dann doch wieder im Licht-und-Sound-Overkill. Dass es auch anders geht, beweist er bei „Nobody Loves Me But My Mother“, bei dem
Keyborader und Pianist Reese Wynans, der schon Stevie Ray Vaughan und Buddy Guy begleitet hat, eindlich auch einmal seine sensible Seite zeigen kann und über die Tasten huschen darf, ohne gleich
unter krachenden Gitarren und Bläsern begraben zu werden. Manchmal macht Gefühl eben doch etwas aus.
Dabei hat auch die ungezähmte Wucht, die die Band ansonsten an den Tag legt, durchaus ihre Berechtigung. Zumindest manchmal. Die Cover-Version von Albert Kings „Angel of Mercy“ verwandelt vor
allem der herausragende Anton Fig an den Drums in ein Metal-Feuerwerk der Extraklasse, bei dem die Hütte ruhig brennen darf. Wenn man danach nur wieder etwas herunterkommen würde. Doch genau
damit haben Bonamassa und seine Band Probleme. Sich mal zurücknehmen, eine Verschnaufpause gönnen, für einen Moment zärtlich sein und sich dann mit neuer Kraft einer weiteren lustvollen und vor
allem variantenreichen Runde hingeben – das ist offenbar nicht der Weg, den der US-Gitarrist besonders gerne geht. Lieber den Dampfhammer auf die höchste Stufe stellen und durchrocken, was das
Zeug hält. Von diesem Erfolgsrezept will Bonamassa um keine Unze abweichen. Dem Publikum ist dies nur recht. Schon während des regulären Konzerts spendet es immer wieder stehende Ovationen, am
Ende steht es ohnehin Kopf. Menge beglückt, Mission erfüllt.
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