Die digitalen Eingeboren sind schon ein seltsames Völkchen. Immer das Handy am Ohr, stets gesprächs- aber selten kommunikationsbereit und vor allem nicht in der Lage, sich mal in Ruhe der Kontemplation hinzugeben. Dies will Matthias Reuter in seinem neuen Programm "Auswärts denken mit Getränken" ändern. Zumindet für sich selbst. Denn auf der Bühne gibt es für den 39-jährigen Musikkabarettisten am wenigsten Ablenkung. Da ist er Mensch, da darf er sein – so lange er nur nebenher mit seinen Liedern unterhält.
Im Pantheon Casino gelingt ihm das schon ganz gut, erweist sich Reuter dabei doch als leidenschaftlicher Satzsammler und begnadeter Erzähler absurder Begebenheiten, der an Klavier und Gitarre immer wieder an den Liedermacher Ulrich Roski ("Der kleine Mann im Ohr") erinnert. Mit diesem gemein hat er die Vorliebe für feine Reime und eine Art Sprechgesang, die dem Ruhrpottler gut zu Gesicht steht - zumindest besser als die Versuche als rauer Louis-Armstrong-Imitator. Tja, an der Intonation muss er wohl noch arbeiten, ebenso wie an der Verbindung von musikalischem und sprachlichem Rhythmus, die mitunter auseinanderdriftet. Aber egal: Es geht schließlich in erster Linie um die Texte. Und die sind herrlich. Skurril. Vort allem auch immer wieder gesellschaftskritisch und politisch.
Ob er anhand einer Kita-Prügelei die Funktionsweise der EU erklärt, die Karnevals-Informationsbroschüren für Flüchtlinge vervollständigt oder mit einer Greisen-Homo-Scheinehe Salafisten, Pegida-Anhänger und Nazis gemeinsam auf die Palme bringt, Reuter ist schlichtweg brillant. Das gilt auch, als er endlich wieder den Bogen zu den digitalen Eingeborenen schlägt und ein Mobiltelefon von seinen Erfahrungen in den Händen eines 15-Jährigen erzählen lässt. Wer Roski mag, wird Reuter lieben.
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