Jetzt gibt’s was auf die Ohren: Der zweite Tag des WDR Crossroads-Festivals in der Harmonie ist nichts für zarte Gemüter, sondern vielmehr ein Fest für jene, die ihr langes Haupthaar gerne mal zu komplexen Kompositionen auf und ab fliegen lassen. Die Dresdner Band Wucan und das isländische Trio The Vintage Caravan lassen es so richtig krachen, hämmern sich genüsslich durch die Musikgeschichte von Jethro Tull über Kraut- und Bluesrock bis hin zu klassischem Heavy Metal und legen dabei großen Wert auf Vielschichtigkeit. Was mitunter genauso sehr Problem wie Lösung ist.
Es ist ein Abend der Jungen Wilden, die sich austoben und ihr gesamtes Potenzial zeigen wollen. Auch wenn, wie so oft, weniger mitunter mehr ist. Vor allem Wucan setzen auf monströse Stil- und
Klang-Patchworks, auf 16-Minuten-Stücke wie dem esoterisch aufgeladenen „Wandersmann“ (Sängerin und Multiinstrumentalistin Francis Tobolsky zitiert darin sogar aus der hinduistischen
Offenbarungsschrift Sri Isopanisad), in denen sich die Begeisterung für Ian Andersons prägendes Querflötenspiel mit der für Frumpy, Kansas, Eloy und einem Großteil des psychedelischen Folk-Rocks
mischt – doch diese überbordende Fülle an Einflüssen zu kanalisieren, gelingt nicht immer. Mitunter besteht die Gefahr, dass die Stücke ausfasern, gar belanglos werden, zumal weder Gitarrist Tim
George noch Bassist Patrick Dröge im vorderen Teil der Bühne Präsenz zeigen und somit alles auf der durchaus wandlungsfähigen, aber letztlich hin- und hergerissenen Francis lastet. Sie muss
Stimme, Flöte und Theremin unter einen Hut bringen – das ist selbst mit Kräuterschnaps eine Herkulesaufgabe, die die charmante Blondine aber immerhin in weiten Teilen erfolgreich
absolviert.
Bei The Vintage Caravan funktioniert die Arbeitsteilung derweil weitaus besser: Sowohl Frontmann Óskar Logi Ágústsson als auch der exzellente Bassist Alexander Örn Númason sind immer auf Achse,
wetzen über die Bühne, posieren in den gewohnten Metal-Posen und wippen frenetisch mit den Köpfen, während sie sich an ihren Pentatoniken abarbeiten. Hart, aber gut. Die Energie des durch Drummer
Stefán Ari ergänzten Trios ist bemerkenswert, der Druck aus den Boxen eine Nummer für sich. Dabei können The Vintage Caravan auch anders: Das exquisite „Innerverse“ überzeugt gar mit epischem
Balladengesang, bevor das Tempo wieder angezogen wird. Ruhig mehr davon. Der Bluesrock hält das aus.
Kommentar schreiben