Diese Jugend von heute! Vor allem die Mädchen! Gehen mit der Mom in die Disco, lassen sich von dreizehnjährigen Youtube-Beautyqueens Stylingtipps geben und hören dabei auch noch Helene Fischer. Das geht doch nicht! Zum Glück gibt es Hoffnung in Form von niemand Geringerer als Carolin Kebekus, der „Alpha-Pussy“, die mit dem so betitelten Programm nun zwei Tage hintereinander die Beethovenhalle bis auf den letzten Platz ausverkauft hat. hat. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, all diesen vom rechten Weg abgekommenen Teenies eine Alternative zu zeigen, einen Ausweg aus der vermeintlichen Glamourwelt der IT-Girls.
Und so inszeniert die 35-Jährige sich als Anti-Vorbild, die sich gerne an die schönsten Kotzgeschichten ihrer Partyzeit erinnert, den Rausch preist und zu ihren eigenen Bioabgasen steht, ja sich
sogar als Leihfurzmutter anbietet, während sie gleichzeitig über das Stromerzeugungspotenzial derartiger Ausdünstungen sinniert. Das Niveau der „heiteren Witzerevue“ ist damit festgelegt – und
die Begeisterung des johlenden Publikums garantiert.
Carolin Kebekus weiß ganz genau, wie sie ihre Fans um den kleinen Finger wickeln kann. Ein paar obszöne Sprüche, ein bisschen Sex, Bier und Rock 'n' Roll, schon hat sie eine Figur geschaffen, die
als eine aus dem Volk gilt, als eine, der nichts peinlich ist und all jene Geschichten, die andere nur hinter vorgehaltener Hand zum Besten geben, mit Gusto in die Öffentlichkeit trägt. Dass die
Komikerin damit ihrem Publikum auch einen Spiegel vorhält und immer wieder auf einer Sub-Ebene die von ihr zur Schau gestellte Haltung hinterfragt, fällt dabei kaum auf. Immer wieder taucht in
ihren farbigen Beschreibungen eine Frage auf: „Was mache ich da?“ Momente der Selbstreflexion, die nur kurz aufblitzen und dann wieder versinken in dem Meer aus Medienmüll, in dem mit Fäkalien
werfende Affen mehr Aufmerksamkeit erhalten als eine Merkel-Rede zur Lage der Nation und in dem ein Bombenanschlag in Mossul erst dann interessant wird, wenn aus den Tiefen des Internets
möglichst gewalttätiges Live-Footage auftaucht. „Das Leid der Welt auf 1:30 komprimiert, mit Hornbach-Werbung davor.“
Es sind genau diese pointierten, in ihrer Wahrheit so bitteren Kommentare, in denen Carolin Kebekus richtig überzeugend ist und zumindest eine Ahnung von ihrem eigentlichen Potenzial vermittelt.
Ja, die Alpha-Pussy kann gesellschaftskritisch sein, auch politisch, etwa wenn sie kurz über den fehlenden Straftatbestand bei sexueller Belästigung oder die schlechtere Entlohnung von Frauen im
Vergleich zu Männern spricht. Ernste Themen, die man gar nicht oft genug kommentieren kann. Und gerade Carolin Kebekus, deren schlagfertige Argumente von ihrer Anhängerschaft begierig aufgesogen
werden, könnte sich Gehör verschaffen. Doch diese Momente währen oft nur ein oder zwei Minuten. Dann springt die selbst ernannte Straßendiva wieder zurück in ihre oft proletenhafte Anti-Rolle, um
ja niemanden zu überfordern. Erbrochenes im Fliegengitter gilt eben als relevanter weil unterhaltsamer. Es ist ein Symbol für eine Spaßgesellschaft, die dank der allzeit ablenkenden Medienflut
jeden störenden Gedanken verdrängen und ertränken kann, die ihn verdünnt mit Videos von Affen, Katzen und Nackedeis. „Mein Gehirn ist verkümmert“, sagt Carolin Kebekus dazu – und streut mit ihrer
Show doch leider mehr Zucker als Salz in die Wunde. So generiert sie eben jene Ablenkung, die sie selbst kritisiert, sehr zur Freude des Publikums, das jede Äußerung frenetisch feiert. Vor allem
wenn es um Fürze geht. Oder um Affen.
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