Aufhören? Kommt für Herman van Veen gar nicht in Frage. Der selbst ernannte „holländische Clown mit der Glatze“ hat noch immer etwas zu sagen, will sich noch immer auf jene Weise mitteilen, die er schon sein ganzes Leben lang pflegt. Also musikalisch. In der Beethovenhalle hat der 71-Jährige nun sein neues Album „Fallen oder Springen“ vorgestellt (nach eigener Zählung der 179. Tonträger) und dabei bewiesen, dass er noch immer dieses beeindruckende Talent besitzt, feine kleine Melodien zu schreiben und kritisches Liedgut mit großer Absurdität zu vermischen.
Mal wird eine geträumte Beziehung mit Enterich Alfred Jodocus Kwak (der in diesem Jahr übrigens seinen 40. Geburtstag feiert) zum Auslöser für ein Lied über Gott und sein Verhältnis zu
Homosexualität und anderen Einschränkungen, dann wieder spricht van Veen über eine OP-bedingte Intimrasur, nur um kurz darauf wieder ernst zu werden und sich sich für die unbekannten Kinder
einzusetzen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Da nimmt der Clown die Maske ab. Und das ist auch gut so.
Neben der spärlich gesetzten Hausmusik, für die ihn seine Fans in Deutschland seit nunmehr 42 Jahren lieben, setzt van Veen auf Country, Rock 'n' Roll und vor allem auf zeitgemäße Arrangements,
bei denen seine achtköpfige Band alle Register zieht – auch wenn das mitunter etwas zu viel ist. Da kommen unter seinem tanzenden Dirigat Synthi-Klänge und Background-Chor in schmalzigem Schmelz
zum Einsatz oder exzessive Instrumental-Passagen, die ihre Nähe zu Hollywood-Filmmusik nicht verhehlen können und die in ihrem Bombast zwar durchaus Eindruck schinden, aber in manchen Momenten
den Fokus unnötigerweise vom Text wegziehen. Andererseits sorgt allein schon die famose Gitarristin Edith Leerkes mit so manchen filigranen Läufen und gelegentlichem Gesang für Begeisterung – und
auch van Veen, wenn er mal wieder zu seiner geliebten Geige greift, die er so gefühlvoll zu spielen versteht.
So sehr Herman van Veen auch immer wieder das Leben bejaht und noch lange nicht ans Aufhören denkt, ist doch nicht zu übersehen, dass Tod und das Älterwerden ebenso wie ein nostalgischer Blick
zurück vermehrt ihren Weg in die Texte finden. Der 71-Jährige zieht Bilanz, ist sich der Endlichkeit bewusst – wohl auch wegen eines persönlichen Schicksalsschlags. Van Veens langjähriger
Weggefährte Erik van der Wurff ist im September 2014 an einer Krebserkrankung verstorben, ihm ist die gesamte Tour gewidmet. Auch das Lied „Spiel Spiel“ präsentiert van Veen mit dem Freund im
Hinterkopf, dafür nimmt er sogar dessen Platz am Klavier ein. Schön – doch so richtig stark wird der Niederländer dann, wenn er auf die orchestrale Wucht und auf die moderne Maskerade verzichtet.
Nur er und Leerkes, vielleicht ein paar Tupfer von Seiten der Band, das genügt. In diesen Momenten, wenn die Kraniche fliegen oder die Welt unten am Deich in Ordnung scheint, ist van Veen am
Besten, intensiv und ehrlich bis in die Haarspitzen. Alleine dafür lohnt es sich, ihm zuzuhören. Das Publikum dankt ihm denn auch mit frenetischem Jubel und stehenden Ovationen.
Kommentar schreiben