Sie hat es schon schwer, die alte Schuppenhaut. Immer wieder erklärt sie die Mechanismen des Universums, gibt Tipps zu einer gesunden Lebensweise mit Alkohol, Nikotin und Koffein, gibt den Anstoß zu einem Leben voller Ruhe und Harmonie – und kaum scheint alles einigermaßen zu funktionieren, geht die Welt den Bach runter. Nur die Echse überlebt, sie, die sie seit Anbeginn der Zeit existiert, die schon die Dinosaurier und davor die Enten hat untergehen sehen und jetzt mit den Menschen leben muss, dieser Mutation aus Plankton und Schwanenscheiße. Mit ihrer orthopädischen Gehhilfe, dem exzellenten Puppenspieler Michael Hatzius, ist dieses ehrwürdige Wesen nun auch nach Bonn gekommen, um in der Springmaus Weisheit und ein bisschen „Echstasy“ zu verbreiten.
Die Echse ist schon eine bemerkenswerte Figur. Wenn sie spricht, hört man ihr zu – und nicht etwa Michael Hatzius, der im Hintergrund leise die Lippen bewegt und so seiner Schöpfung eine Stimme
verleiht. Nein, ihn blendet man konsequent aus. Der 33-Jährige ist da, immer präsent, aber zugleich immer ausgeblendet, während die von ihm animierten Wesen alle Blicke auf sich lenken. Selbst
als Hatzius mit der Echse ins Publikum steigt und diese die Anwesenden befragt (inklusive der anwesenden Vertreter von Presse und Stasi), erfolgt der Kontakt mit der Puppe, nicht mit dem
Puppenspieler. Besser geht es nicht. Allerdings überrascht dies auch nicht wirklich: Die ausgeprägte Persönlichkeit der Echse, die irgendwo zwischen erfahrenem Staatsmann, arrogantem
Universalgenie und Mafia-Paten anzusiedeln ist, ihre Manierismen und ihre burschikos-großmäulige Ausdrucksweise machen es leicht, ihre Künstlichkeit zu verdrängen. Andere haben es da schwerer,
das arme Huhn zum Beispiel, das konsequent ausgenutzt wird und mit seiner Leidensgeschichte das Publikum zutiefst berührt, oder der verrückte Hase zu Anfang der Show (keine Puppe, sondern nur ein
Kostüm), der das Hauptkabel durchgenagt hat und dafür von einer Wach-Karotte in die Mangel genommen wird. Amüsante Figuren sind sie ohne Zweifel, und Huhn ist OK, doch die Lebendigkeit ihres
Herrn und Meisters – also der Echse – können sie eben nicht aufweisen. Allerdings unterstreichen sie in beeindruckender Weise, was für ein herausragender Sprecher Michael Hatzius ist; vor allem
die Dialoge zwischen einer Berliner Zecke und einem aus der Zeit gefallenen, archaisch sprechenden Märchenprinzen sind einfach herrlich.
Die Echse sinniert derweil über die Vergänglichkeit nach. Nicht über ihre eigene, dafür ist sie dem Tod schon viel zu oft entkommen, aber über die der Wesen um sie herum. Damit hat sie
schließlich schon oft zu kämpfen gehabt. Mit Gummientchen simuliert sie den Untergang des Imperium Entanum, mit Videos das Ende der Dinosaurier. Die haben eben nicht auf die Schuppige gehört.
Dabei könnte es so einfach gehen: Ruhe bewahren, den göttlichen Glücksenten vertrauen und sich vor Zebras in Acht nehmen, schon kann nicht mehr viel passieren. Gut, irgendwann klopft der Tod dann
doch an die Tür oder steht wie in der Springmaus auf einmal in voller Pracht auf der Bühne („Viel zu tun“, sagt er. Aber: „Altenahr – fast fertig“), doch zumindest die Echse ist sicher. Und das
ist schließlich die Hauptsache.
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