Eine kleine Neckerei unter Freunden: Auf dem Geburtstagsalbum für Jazz-Legende Klaus Doldinger, der in diesem Jahr 80 geworden ist, hat sein alter Passport-Kollege Udo Lindenberg diesen augenzwinkernd als „heißen Greis“ besungen. Gut, der Panikrocker darf das. Aber Recht hat er damit trotzdem nur zum Teil. Denn das Alter sieht man dem Saxofonisten nun wirklich nicht an, wie jetzt ein Konzert in der nahezu ausverkauften Kölner Philharmonie belegt hat. Energiegeladen wirkt er, leidenschaftlich, fit. Ein Greis ist er somit höchstens auf dm Papier – heiß aber in der Realität. Heiß auf Jazz in all seinen Spielarten, heiß aufs Spielen und heiß aufs Publikum. „Ich bin innerlich beglückt“, sagt er, weil so viele Menschen seinetwegen in die Domstadt gekommen sind und weil er nicht so wie einen Tag zuvor mit einer Erkältung zu kämpfen hat. Die Voraussetzungen für einen großartigen Abend sind also gegeben – und Klaus Doldinger übertrifft sie locker.
Gleich zwei Besetzungen seiner Band Passport hat der Jubilar mitgebracht: Die aktuelle ebenso wie die so genannte Classic-Version, die in den 70ern stilprägend war und die auch die erste
Konzerthälfte in ein Tollhaus aus Jazz und Rock verwandelt. Schlagzeuger Curt Cress baut einen so enormen Druck auf, dass er das rhythmische Fundament auch ganz alleine zu tragen vermag, so dass
Wolfgang Schmid mit seinem Bass herrliche Melodielinien spielen kann. Roberto di Gioia flitzt derweil über die Tasten – und Doldinger zaubert. Sein einfühlsames, warmes, prägnantes Saxofonspiel
ist unverkennbar, ebenso wie der Groove, der alle Stücke durchzieht und der ein Markenzeichen Doldingerscher Kompositionskunst ist. Mal entspannt, fast zärtlich mäandernd, dann wieder mit
Orkanstärke vorpreschend, dabei aber zu keinem Zeitpunkt hektisch werdend greift das Quartett Stücke wie „Morning Sun“, „Jadoo“ und die Ballade „Yellow Dream“ auf, die bis heute weder Schmiss
noch Schwung verloren haben.
Doch Kraft ist nicht alles: Die heutige Passport-Formation nimmt sich im direkten Vergleich mit den Veteranen ein klein wenig zurück, führt aber zugleich den besagten Groove auf ein neues Level.
Vor allem die beiden zusätzlichen Perkussionisten dürfen etwa bei dem wunderschönen „Ataraxia“ aus dem Vollen schöpfen und setzen zahlreiche Akzente. Gleiches gilt für die Gastsänger, die
Doldinger einer Tradition aus den 80ern folgend eingeladen hat. Max Mutzke kämpft vor allem mit dem massiven „Inner City Blues“, während der Marokkaner Majid Bekkas neben seiner Guembri (einer
traditionellen Basslaute) auch eigene Stücke mitgebracht hat, die sich hervorragend in das Klangspektrum von Passport einfügen. Einzig die ständigen Versuche des Keyboarders Michael Horneck, in
Richtung Techno abzudriften, irritieren – zumal es ihm bei „Sahara“ letztendlich auch gelingt und er sich zusammen mit Drummer Christian Lettner ein paar Minuten lang wie auf einem Turntable im
Kreis drehen darf. Derartige Club-Beats mögen auch in Doldingers Klangkosmos gehören, alleine vermögen sie aber die Leere nicht zu füllen, die das Aussetzen der restlichen Musik hinterlässt.
Sondern lediglich zu erweitern. Schade.
Dennoch geht das Publikum am Ende beglückt nach Hause. Über drei Stunden hat Klaus Doldinger sein Œuvre offengelegt – wohlgemerkt ohne sich dabei den üblichen Klassikern wie dem „Tatort“-Thema
oder den Melodien aus „Das Boot“ oder „Die Unendliche Geschichte“ zuzuwenden – und einen bemerkenswerten Querschnitt durch 45 Jahre Passport-Geschichte geliefert. Auch weil dieses Jubiläum
letztlich ebenso seins ist wie der 80. Geburtstag, aber viel näher an seiner Seele. 45, ein gutes Alter. Von wegen Greis.
Kommentar schreiben