Irgendwie ist Leonardo da Vinci wohl im falschen Jahrhundert geboren worden. Unzählige Erfindungen des legendären Florentiners, der als Maßstab aller Universalgenies galt, waren seiner Zeit um Generationen voraus. Der größte Denker der Renaissance war Wegbereiter für Fachgebiete wie Bionik, Aerodynamik und moderne Mechanik: Jetzt haben das Deutsche Museum Bonn und das Bonner Wissenschaftszentrum ihm eine Ausstellung gewidmet, die sich genau diesen Aspekten seines umfangreichen Schaffens widmet und die die dahintersteckenden Prinzipien gewohnt anschaulich und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar macht.
35 Nachbauten, die Studenten der Fachhochschule Bielefeld nach den Skizzen des Maestros geschaffen haben, sind in den beiden nebeneinander liegenden Gebäuden verteilt. Während in der
Sonderausstellungsfläche des Deutschen Museums vor allem mechanische Werkzeuge die Besucher zum Ausprobieren animieren, reflektieren die Exponate im Foyer des Partnerhauses den Traum vom Fliegen.
„Wir wollen auf diese Weise ein Zeichen setzen, wie wichtig wir das Deutsche Museum erachten“, erklärte Ulrike Lenk, Geschäftsführerin des Wissenschaftszentrums, mit Blick auf die drohende
Schließung des benachbarten Hauses. Zwar gebe es Anzeichen dafür, dass die notwendige Finanzierung trotz der Kürzungen durch die Stadt doch noch irgendwie realisiert werden könne, doch so langsam
müssten eben Nägel mit Köpfen gemacht werden. „Wir hoffen, der Sache nun Flügel verleihen zu können.“
Zumindest dürfte die Ausstellung dazu beitragen, das Deutsche Museum auch in den Sommermonaten zu einem Publikumsmagneten zu machen. „Einige der Exponate hatten wir bereits 2010 ausgestellt, und
da haben uns die Leute die Bude eingerannt“, beschreibt es Historiker Ralph Burmester, der einen Einblick in das Leben und Wirken Leonardo da Vincis gibt. Es ist aber auch faszinierend, die mehr
als 500 Jahre alten Gerätschaften zu sehen, die zum Teil heute noch Verwendung finden. So wird etwa die Weiterentwicklung der archimedischen Schraube weiterhin genutzt, ebenso wie da Vincis
Steinzange oder auch die Sperrklinke in Kranen und Seilwinden, die der Visionär aus Gründen der Arbeitssicherheit erfand. Andere Teile wie etwa das Kugellager gerieten in Vergessenheit und
mussten mehrere Jahrhunderte später neu entwickelt werden. Und manches konnte nicht so funktionieren, wie der Gelehrte es sich vorstellte, auch wenn die zu Grunde liegenden Ideen brillant waren.
So kann kein Mensch genug Kraft aufwenden, um die von da Vinci entwickelte Luftschraube aufsteigen zu lassen – ein moderner Hubschrauber arbeitet heutzutage aber nach genau diesem Prinzip.
„Leonardo war ein Freigeist, der immer versucht hat, Grenzen zu überschreiten“, sagt Burmester im Laufe der Führung. Von Rückschlägen hat er sich nie aufhalten lassen, immer weitergemacht und mit
seinen oft abenteuerlichen Entwicklungen mitunter auch seine Auftraggeber zur Verzweiflung gebracht. Sein Erbe ist jedoch bis heute einzigartig – und sein Geist ein Vorbild für jeden
Wissenschaftler. Bleibt zu hoffen, dass er jetzt auch dem Deutschen Museum Glück bringt, in dem Technik durch Anfassen erfahrbar gemacht und so die Neugier an den Naturwissenschaften geweckt
wird. Denn das vermag in der Bundesstadt kein anderes Haus zu leisten.
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