Für einen Solokünstler hat Mathias Richling viele Gesichter. Viele Stimmen. Und vor allem viele Stühle. Schwarze, rote und goldene Sitzgelegenheiten, die kreuz und quer auf der Bühne der Bonner Oper stehen und in gewisser Weise bereits von politischen Geistern besetzt sind. Angela Merkel ist natürlich mit von der Partie, ebenso wie Wolfgang Schäuble, Edmund Stoiber, Andrea Nahles, Norbert Blüm oder Kurt Beck – Richlings Spuk-Menagerie, allesamt Karikaturen ihrer selbst und doch im Kern näher an der Realität, als angesichts der bissigen Parodien des 63-Jährigen auf den ersten Blick ersichtlich. All diese Politiker erweckt der Kabarettist in seinem aktuellen Programm „Richling trifft Richling“ zum Leben, offenbart ihre Plattitüden und ihre oft erfolgreiche Versprechensbekämpfung – und bleibt doch letztlich seltsam ziellos.
Kein Zweifel, Richling ist ein scharfer Beobachter und Kommentator von Missständen in der politischen Arena, aber eben auch einer, der schnell mit Vorwürfen bei der Hand ist, die ein wenig übers
Ziel hinausschießen. Wenn die Grünen werden zu ewig gestrigen Spießern und das Bundesfinanzministerium zu einem Hort des Dilettantismus stilisiert wird, ist das schon merkwürdig – wenn allerdings
Wolfgang Schäuble zum Schlächter der sozial schwachen Sparschweine wird und Horst Seehofer die Positionen der seltsamerweise abwesenden AfD vertreten muss, ist die Grenzüberschreitung nicht weit.
Ein gefährlicher Balance-Akt, zumal Richling abseits der Parodien kaum Positionen kommentiert oder erklärt, ebenso wenig wie er große Bögen schlägt. Wo will er eigentlich hin, fragt man sich
unweigerlich, wenn er den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach kurz über den sozialen Krankheitszustand der eigenen Partei schwadronieren lässt oder Schreckgespenste wie Helmut Kohl oder Kurt
Beck aus dem Schrank holt. Früher war die Zukunft auch nicht besser, will er damit zeigen. Aber reicht das als Erkenntnis?
Immerhin hat Richling auch so einige Glanzmomente. Sigmund Freuds auf den Ödipus-Komplex heruntergebrochene Psychoanalyse trifft trotz anfänglicher Konfusion ebenso ins Schwarze wie die grandiose
Darstellung der Alt-Bundespräsidenten von Johannes Rau bis Joachim Gauck, die der beständig von rechts nach links und von Stuhl zu Stuhl eilende Spötter mit feinem Gespür für Mimik und Duktus
verkörpert. Dass dabei nicht alle Anspielungen und Kommentare verstanden werden – geschenkt. Das ist auch nicht Richlings Ansinnen. „Wenn Sie heute Abend nur die Hälfte verstehen, nehmen Sie eine
Menge mit.“ Keine leichte Aufgabe, immerhin legt der Schwabe ein hohes Tempo vor, intellektuell wie auch verbal. Aber machbar.
Doch es ist die andere Hälfte, die für Irritationen sorgt. Die, die obsolet wirkt, vollgepfropft mit Worthülsen und Phrasenpatronen, die fröhlich in die Luft geschossen werden und auf diese Weise
keine Wirkungstreffer erzielen. „Wie leben wir das Leben und wie leben wir die Politik“, gibt Richling zwar als übergeordnetes Thema aus – Antworten bleiben aber aus. Vor allem positive. „Das
Leben ist ein Phantomschmerz: Man denkt, man hat's, aber eigentlich tut es nur weh“, sagt er. Klingt ein bisschen entmutigend. Und was bringt in diesem Zusammenhang das Vorführen der Politiker?
Gut, vielleicht ist das für Richling wie Medizin. Homöopathisch, also gleiches mit gleichem vergeltend. Ein reizvoller Ansatz. Allein, so schön es auch ist, die Symptome zu bekämpfen – eine gute
Diagnose und eine Behandlung der Ursachen kann dies nicht ersetzen.
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