Seelenverwandte. Das trifft es wahrscheinlich ganz gut. Ja, Seelenverwandte könnten Max Mutzke und Thomas Quasthoff tatsächlich sein, so wie sie da auf der Bühne der Bonner Oper miteinander umgehen. Nichts wirkt aufgesetzt, nichts bemüht, selbst die augenzwinkernd bissigen Kommentare wirken natürlich und harmonisch. Und das bei zwei Männern, die erst zum zweiten Mal überhaupt zusammen musizieren. Ein Auftritt zu Pfingsten auf Schloss Elmau, etwas verkürzt und gewissermaßen die Generalprobe, und jetzt eben die offizielle Premiere im Rahmen der Reihe „Quatsch keine Oper“. Mehr als zwei Stunden, in denen sich die beiden gegenseitig etwas vorsingen, sich voller Freude entdecken und sich ergänzen, um zusammen mit drei der besten Jazz-Musiker Deutschlands (Pianist Frank Chastenier, Bassist Christian von Kaphengst und Drummer Wolfgang Haffner) ein einzigartiges Konzerterlebnis zu schaffen.
An diesem Abend stimmt einfach alles. Die Chemie, der Sound, das Publikum, das Thomas Quasthoff zwar mit seinen kollektiven rhythmischen und gesanglichen Bemühungen an den Rand der Verzweiflung
brachte, ihn aber andererseits mit seinem Enthusiasmus überzeugte. „Können wir das nicht einpacken und mitnehmen“, fragt er einmal. Wenn es nach den Zuhörern gehen würde, könnte er das ohne
Weiteres tun. Bei dem Spaß, der dann garantiert wäre, bei all den magischen Gänsehaut-Momenten und ekstatischen Soul- und Blues-Explosionen – wer würde sich da verweigern? Dafür ist das
Zusammenspiel des Quintetts auf der Bühne einfach zu gut. Völlig ungezwungen spielen sie auf, werfen sich die Bälle zu, spornen sich an, jagen sich in immer größere Höhen, kraftvoll, einfühlsam,
unbeschreiblich. Ein Liebesbeweis folgt dem nächsten, mal legt Quasthoff mit einem fantastischen „You are so beautiful“ vor, dann antwortet Mutzke mit einem fetzigen „Song für dich“. Ja,
Jazz-Standards und Pop-Balladen treffen auf die souligen Songs des 35-Jährigen, die Chastenier, von Kaphangst und Haffner mit ihrem virtuosen Spiel veredeln.
Immer intensiver wird das Konzert. Mutzke singt „Creep“ noch weitaus gefühlvoller als Radiohead selbst, und aus den Augen Quasthoffs strahlt eine Mischung aus Staunen, Bewunderung und Stolz
angesichts dieser phänomenalen Darbietung. Der Bassbariton setzt dagegen „Imagine“, nur er und Chastenier am Flügel, ganz dezent und umso bewegender. Dazwischen geht immer wieder die Post ab. Vor
allem Mutzke gibt Gas, während Quasthoff sich bei klassischen Balladen a la „My funny Valentine“ wohler zu fühlen scheint. Dabei kann er auch röhren, lässt etwa bei „Mister Piano Man“ dem Blues
freien Lauf, klingt auf einmal herrlich rau und dreckig – das könnte er ruhig öfter machen.
Ohnehin ist Quasthoff jemand, der auch gerne mal deutlich wird. Oder derb. In den Wortgefechten mit Max Mutzke machen beide keine Gefangenen, selbst die Behinderung des 56-Jährigen wird auf die
Schippe genommen. Und das ist einfach nur großartig. „Wir sind sowohl auf als auch hinter der Bühne wie eine Horde aufeinander losgelassener Schuljungen“, gesteht Quasthoff lachend. Unverfroren,
das Leben genießend und sich gegenseitig blind vertrauend. Bewundernswert, zumal alle Beteiligten diese Leidenschaft auch ausstrahlen. Genau das ist es, was dieses Konzert unabhängig von der
überragenden musikalischen Qualität so auszeichnet und für das sich das Publikum am Ende mit stehenden Ovationen bedankt.
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