„What do you want from life“, schmettert Fee Waybill ins Mikrophon. Was wollt ihr vom Leben. Eine gute Frage. Eine, die sich nicht so leicht beantworten lässt. Außer man gehört zu den Tubes, die, so scheint es zumindest, in ihrer 45-jährigen Band-Historie vor allem ein Ziel verfolgten: Spaß zu haben und für selbigen zu sorgen. In der Harmonie ist dies den Rock-Veteranen auf jeden Fall mit einer extravaganten, starken und musikalisch überzeugenden Bühnenshow ohne Probleme gelungen. Gut, manche mögen jetzt sagen, dass früher alles besser war. Aber damals waren die Herren auch noch nicht in ihren 60ern. Und die Begeisterung für ein wenig Rock-Theater, die ist allemal gleich geblieben.
Vor allem Frontmann Waybill absolviert zweieinhalb Stunden lang ein schweißtreibendes Programm. Immer wieder schlüpft er in andere Kostüme, mal in eine Zwangsjacke („Mister Hate“), dann wieder in ein Marlon-Brando-Bad-Boy-Outfit oder ein Western-Kostüm inklusive weißer Plüsch-Chaps anlässlich des Gene-Pitney-Gedächtnis-Songs „The Man Who Shot Liberty Valence“. Erweitert wird die umfangreiche Garderobe unter anderem durch eine Vogelschnabel- und eine Latex-Fetisch-Maske – eben alles, was auffällt. Trash, könnte man sagen. The Tubes bevorzugen hingegen den Begriff Pulp, Bezug nehmend auf die reißerischen Groschenromane des frühen 20. Jahrhunderts. „Pulp war eine Kunstform, die wir immer wieder gerne für unsere Shows adaptiert haben“, sagt Waybill. Tatsächlich steht die gesamte Tour unter diesem Titel – und so lässt sich die Western-Hommage ebenso erklären wie die ein oder andere „Pulp Fiction“-Reminiszenz. Das sorgt für Abwechslung und zeigt, dass sich The Tubes immer wieder Festlegungen entziehen. Punks waren sie trotz ihres Hits „White Punks On Dope“ schließlich nie (auch wenn musikalisch durchaus eine gewisse Nähe vorhanden ist), Rocker auch immer nur mit einem Augenzwinkern. „Für die Tubes gelten keine Regeln“, sagt Waybill dazu. Gut so.
Dabei steckt hinter all der Show und dem Spaß mitunter eine ernste Botschaft. „TV Is King“ oder „Mister Hate“ sind durchaus medien- beziehungsweise sozialkritisch und erinnern in ihrer Inszenierung eher an Frank Zappa als an die opulent-effektvollen, inhaltlich aber eher oberflächlichen Darbietungen von Glamrockern wie Alice Cooper, die The Tubes so gerne parodieren. Nicht umsonst stolziert Waybill bei dem bereits erwähnten „White Punks On Dope“ mit Glitzeroutfit, blonder Perücke und gigantischen Plateauschuhen auf die Bühne. Ein Blickfang, bei dem fast die unglaublich gute und wandlungsfähige Band vergessen wird. Das hat sie aber nicht verdient: Drummer Prairie Prince hämmert knackig und staubtrocken drauflos und setzt sowohl bei Balladen wie „Love Is A Mystery“ als auch bei extrem harten, fast schon an Metal grenzenden Nummern wie „Mondo Bondage“ Akzente; Bassist Rick Anderson kontert mit schönem, oft funkigem Drive; Keyboarder David Medd zaubert dezent im Hintergrund; und Gitarrist Roger Steen überzeugt ebenso mit seinen Soli wie auch mit gelegentlich hinzukommendem Zweitgesang. Wunderbar rockend und mit immenser stilistischer Bandbreite sorgen The Tubes so bis zum Schluss für eine phänomenale Stimmung. Das Publikum ist dementsprechend aus dem Häuschen. „What do you want from life“? Vielleicht ein bisschen mehr von The Tubes. Das ist sicherlich nicht die vollständige Antwort. Aber zumindest wäre es ein guter Anfang.
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