Anekdoten und Gitarrensoli – das reicht für einen unterhaltsamen Abend. Zumindest beim Auftritt von Miller Anderson, der mit seiner Band einmal mehr in die Harmonie gekommen ist und sich dort sichtlich wohl fühlt. Der 71-Jährige wirkt gelöst, entspannt, gut drauf. „Call me Mill“, sagt er augenzwinkernd. Na gut. Zumal das allemal besser sei als die Initialen seines vollständigen Vornamens, wie Anderson betont: Henry Alexander Miller, kurz Ham, auf deutsch also Schinken. Ah. Vorsicht, Kalaueralarm. Andererseits erzählt Anderson diese Geschichten zwischen seinen Songs so überaus charmant, dass es eine Freude ist – und ohnehin ist man ja eigentlich aus einem anderen Grund hier. Um Musik zu hören. Guten alten Blues in allerlei Spielarten. Was Anderson und seine Mannen denn auch liefern.
Miller Anderson greift dabei auf ein bemerkenswertes Repertoire zurück: Stücke aus seiner Zeit bei der Keef-Hartley-Band, mit der er immerhin auch bei Woodstock war, treffen samt einiger
psychedelischer Klang-Elemente (wenn auch leider ohne den speziellen Bläser-Sound der Formation) auf klare Blues-Strukturen, über denen sich die abgeklärten Eskapaden des Chefs und seines
Keyboarders Frank Tischer wölben. Letzterer erweist sich als begnadeter Tastenvirtuose, der mit flirrenden Fingern sein Instrument bearbeitet und ein ums andere Mal Szenenapplaus erhält, während
Schlagzeuger Tommy Fischer expressiv und mitunter ganz schön wuchtig über die Drums jagt und Bassist Janni Schmidt sich immer wieder zu Funk-Einlagen hinreißen lässt. Anderson lässt das zu, hat
gar seinen Spaß daran und wechselt aus einem Shuffle-Blues kurzerhand selbst in einen Reggae, den er so oder so ähnlich vor gefühlten Ewigkeiten mal in einem Spontan-Gig in Schottland gespielt
hat.
So souverän Anderson auch agiert, so überschaubar wirken allerdings zugleich seine Soli. Keine Frage, was er macht, macht er gut und überlegt, verzichtet auf großes Imponiergehabe und die bei
anderen Gitarristen so beliebten Effekte – doch mitunter könnte er ruhig noch ein bisschen vorlauter, frecher, prägnanter sein, vor allem dann, wenn die rollenden Grundrhythmen die dafür nötige
Basis schaffen. Und auch gesanglich wäre noch etwas mehr drin. Das Publikum ist dennoch begeistert, feiert Andersons Klassiker „High Tide, High Water“ ebenso wie den Savoy-Brown-Hit „Boogie
Brothers“ und hat letztlich den eingangs erwähnten unterhaltsamen Abend. Was schließlich auch etwas wert ist.
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