Wörter prasseln wie Regentropfen auf das Publikum ein. Ein Schauer aus Lauten, kaum differenzierbar, kaum von Bedeutung, nur durch den Klang relevant, sich aus ihm speisend. „Bis dies die Diebin Dielen Dingen dealt“ – Sprachmusik, mit der sich die Bonner Schauspielerin Bettina Marugg und das Duo canto beattuto (Sängerin Eva Nievergelt und Drummer Christoph Brunner) im Theater im Ballsaal beschäftigen. Der Inhalt ist nebensächlich: Es zählt die Überlappung zwischen Ton und Wort, die unabhängig von der Sprache ihre Wirkung entfaltet. Anderthalb Stunden lang suchen die Drei in der Neuauflage ihrer „Litanies de la vie“ nach diesen klangpoetischen Resonanzpunkten, greifen dabei auf französische Komponisten, amerikanische Perkussionisten und schweizerische Autorinnen zurück und lassen aus Silben und Reimen ganze Lautwolken entstehen.
Dabei greift das Trio vor allem in den gemeinsamen Performances immer wieder auf chorisches Sprechen zurück, geordnete Harmonien, die zugleich mit einem Unverständnis der Welt einhergehen. Denn die Texte reflektieren, sofern sie denn überhaupt eine Aussage haben, vor allem die Überforderung an der menschlichen Existenz. „Leben ist, wenn man nichts begreift“, heißt es in Jacques Rebotiers „Litanie de la vie j'ai rien compris“. Also bleibt man sprachlos, oder beschränkt sich zumindest auf Scherben, Gedankenfetzen, Worttrümmer, so wie bei Samuel Becketts „Nicht ich“, in dem die Lebensgeschichte einer Frau von zahllosen Narben und Malen überdeckt zu sein scheint, die die Worte überlagern und sie fragmentieren. Stark, wie Bettina Marugg diesem Text dennoch Leben einzuhauchen versteht. Eva Nievergelt brilliert derweil mit Annette Schmuckis „fünfstimmig hüpfende“, jenem lautmalerischen Schwall sich ständig im Fluss befindlicher Konsonanten und Vokale, der eigentlich emblematisch für die anspruchsvolle, nicht immer sofort zugängliche Darbietung ist. Und Christopher Brunner? Tobt sich auf Tamtam, Gong und gestrichener Kuhglocke aus oder lässt, im Einklang mit seinen beiden Kolleginnen, auch mal die Tassen auf einem mit derartigem Geschirr überfüllten Tisch kreisen. So lange, bis alles fällt und der Klang der unausweichlichen Zerstörung durch den Raum schallt. Dekonstruktion der Tassen, Dekonstruktion der Bedeutung, Dekonstruktion des Seins. Was bleibt, ist Klang. Und ein vom Wortregen durchnässtes Publikum, das um eine (Grenz-)Erfahrung reicher ist.
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