Vom irischen Claremorris über Las Vegas bis nach Amarillo: Wenn Tony Christie sein musikalisches Leben Revue passieren lässt, kommen einige wichtige Stationen zusammen. Der 73-Jährige hat schon vieles besungen, hat mit seiner phänomenalen Crooner-Stimme mehr als 40 Alben geprägt, erstmals vor nunmehr 50 Jahren. Ein guter Grund zum Feiern. Zum Abschluss seiner Jubiläumstour ist der Brite nun ins Bonner Brückenforum gekommen – und liefert dort vor einer leider recht enttäuschenden Publikumskulisse ein bemerkenswertes Konzert ab, in dem er die gesamte Bandbreite seines Könnens offenbart.
Christie kann, so scheint es, so ziemlich alles singen, knackigen Rock ebenso wie schmalzige, schlagerartige Balladen (dank derer er unter anderem gern gesehener Gast bei Carmen Nebel ist) und
beliebte Standards. Jeden Ton formt er zur Perfektion, jede Melodie macht er zu seiner eigenen, jede Textzeile präsentiert er mit einer bemerkenswerten Authentizität. „Avenues and Alleyways“, „I
Did What I Did for Maria“, „Las Vegas“, „Solitaire“, all seine Hits erklingen und präsentieren einen exzellenten Entertainer, der seinem großen Vorbild Frank Sinatra durchaus gerecht wird.
Charmant führt er das Publikum durch die Geschichte seines Lebens, beginnend mit seiner ersten Aufnahme „Life’s Too Good To Waste“ von 1966. Kein großer Erfolg, wie er heute zugibt, trotz (oder,
so sagt er augenzwinkernd, vielleicht auch wegen) des Gitarrenspiels von Jimmy Page. Der sollte sich erst fünf Jahre später einstellen. „Is This The Way To Amarillo“ brachte Christie den
Durchbruch und ist bis heute sein größter Hit. Dabei hat der silbermähnige Sänger so viel mehr zu bieten. Seine Version von „Mister Bojangles“ ist zum Beispiel ein Genuss, und auch neuere
Kompositionen wie „Now's The Time“ zeigen, dass Christie sich immer wieder neu erfindet.
Zugleich liebt Christie es, Anekdoten aus seinem Leben zu erzählen: Wie er seinen ursprünglichen Namen Anthony Fitzgerald ablegte, nachdem er einen Film mit Julie Christie sah; wie Tom Jones
wütete, als sein Management den Song „Las Vegas“ ablehnte, was wiederum einem aufstrebenden Künstler, der bislang vor allem in Working Men's Clubs gespielt hatte, zum Vorteil gereichte; oder wie
er die Rolle des Magaldi in der 1976er Original-Aufnahme von Andrew Lloyd Webbers „Evita“ sang. Auch seiner Kindheit gedenkt er, und seinen Großeltern, die während des Ersten Weltkriegs vom
County Mayo ins englische Yorkshire zogen und in ihrem neuen Zuhause die irische Musik pflegten. Nicht umsonst gehört die erste Stunde des Konzerts der Band Ranagri, mit der Christie 2015 das
Album „The Great Irish Songbook“ aufnahm und die mit Bodhran, Flöte, Harfe und Gitarre einen zwar recht braven, aber nichtsdestotrotz wunderschönen Sound entstehen lassen. Darüber legt Christie
seine Stimme, was vor allem bei „She Walked Through The Fair“ ein ganz besonderer Genuss ist. Ein schöner Kontrast zu den leider mitunter etwas zu scharfen rockenden Klängen, die nach der Pause
durch das Brückenforum tönen und zwischen denen sich der Mann mit der Goldstimme mit einer Leichtigkeit bewegt, die ihresgleichen sucht. Das Publikum feiert Tony Christie denn auch mit
langanhaltendem Applaus. Zu Recht.
Kommentar schreiben