So viele Premieren auf einen Streich hat es in der Geschichte der Reihe „Quatsch keine Oper“ noch nie gegeben: Das Konzert der legendären finnischen a-cappella-Gruppe Rajaton, die in Bonn den Auftakt zu ihrer Jubiläumstour anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens feierte (1. Premiere) und dabei erstmals auf der Opernbühne der Bundesstadt stand (2. Premiere), wurde von Neuheiten, Experimenten und bisher ungehörten Paarungen dominiert. Und natürlich von großartigem Gesang. Sowohl von Rajaton als auch von ihren Gästen. Denn sowohl BonnVoice als auch Wise-Guys-Sänger Eddi Hüneke setzten im Vorprogramm bemerkenswerte Akzente.
Der Bonner Chor überzeugte einmal mehr mit herrlichem Klang und beeindruckender Vielfalt. Neben dem Jazzklassiker „Birdland“ stand auch ein Mash-Up aus „Rapper's Delight“, „Another One Bites The Dust“ und einer Daft-Punk-Nummer auf dem Programm, mit dem sich die Sängerinnen und Sänger immerhin aus ihrer Wohlfühlzone herauswagten und jene Energie durchblicken ließen, die für derartige Songs essentiell ist. Ein schöner Auftakt dank eines Ensembles, das sich bei seinem ersten Auftritt in der Oper (3. Premiere) in exzellenter Form zeigte. Gleiches galt auch für Eddi Hüneke, der angesichts der bevorstehenden Auflösung der Wise Guys eine Karriere als Solokünstler anpeilt und die Gelegenheit nutzte, einige Songs vor Publikum auszuprobieren (4. Premiere). Funktionierte ganz gut: Erwies sich der erste Titel noch als zahnlose Liedermacher-Massenware ohne Ecken und Kanten, zeigte der 45-Jährige in der Folge deutlich mehr Profil, arbeitete überaus geschickt mit einer Loop-Station und bewies mit „Mach das Maul auf“ erfreulicherweise auch Haltung. Jetzt hatte Hüneke, der in diesem Moment sogar ein wenig an Stoppok erinnerte, auch das Publikum auf seiner Seite, das freudig in den Refrain einstieg und ein Strahlen auf das Gesicht des Sängers zauberte. Die erste Klippe auf dem weiteren Weg hatte er erfolgreich genommen. Gut gemacht.
Und dann endlich Rajaton. Der Goldstandard. Oder zumindest einer davon. Nicht umsonst zählen die sechs Finnen seit Jahren zu den besten a-cappella-Formationen der Welt, Inspiration für zahlreiche Chöre in diesem Bereich, inklusive BonnVoice – nun stellten sie ihre Meisterschaft einmal mehr unter Beweis. Ob Eigenkompositionen in ihrer Muttersprache, die in der Regel die Geschichten und Eigenheiten ihrer Heimat augenzwinkernd thematisierten, oder Cover von Beatles- und Queen-Hits wie „Lady Madonna“ und „Under Pressure“, ein musikalisches Kleinod nach dem anderen wurde ins Scheinwerferlicht gebracht. Dabei stellte Rajaton auch die gerade erst erschienene neue CD „Salaisuus“ vor (5. Premiere), auf der selbst der Tod, ein beliebter Topos in Finnland eine überaus lebendige Melodie erhalten hat. Daneben Klassiker wie „Butterfly“ oder das überragende Arrangement zu „Eleanor Rigby“, eine herrlich schräge, selbstironische Interpretation der Eurovision-Song-Contest-Nummer „La Dolce Vita“ (trotz des italienischen Titels und des spanischen Rhythmus ein finnisches Stück) und „Don't Stop Me Now“, die einzige Nummer, die ein wenig hinter den Erwartungen zurückblieb. Insgesamt sorgten Rajaton aber für ein phänomenales Konzert, das dem begeisterten, stende Ovationen spendenden Publikum noch lange in Erinnerung bleiben wird – nicht zuletzt dank der Zugabe, bei der die Finnen kurzerhand noch einmal BonnVoice und Eddi Hüneke auf die Bühne holten und gemeinsam sangen (6. Premiere). „In dieser Weise haben wir das noch nie gemacht“, gestanden Rajaton. Hat sich aber gelohnt, sollten sie öfters machen. Vielleicht beim nächsten Mal.
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