Gefühlvoll schwebt eine bemerkenswerte Altstimme durch den Saal der Bonner Oper, hauchig, luftig, eindringlich, von nichts weiter getragen als von leichten Flügelschlägen und der Leidenschaft für Chanson, Jazz und Pop. Ihre Lieblingssongs hat Pe Werner sich für dieses Konzert ausgesucht, in dem sie so reduziert ist wie selten zuvor. Nur Frank Chastenier ist an ihrer Seite, ein Gentleman an den Tasten und seines Zeichens virtuoser Pianist der WDR Bigband. Das reicht völlig – zumindest meistens.
Es ist ein schmaler Grad zwischen Minimalismus und Pathos, den das Duo an diesem leider nur mäßig besuchten Abend beschreitet. In den besten Momenten sorgt dies für fantastische Höhenflüge, etwa
wenn Pe Werner den Wolkenreflexionen von Joni Mitchell folgt („Clouds“) oder sich in romantische Verzückung singt („Till There Was You“). Wenn die 56-Jährige alles aus sich herausholt, den tiefen
Lagen den Vorzug gibt und ohne allzu große Verzierungen der Melodie folgt, erreicht sie mitunter eine Leichtigkeit, die den Balance-Akt zum mühelosen Tanz werden lässt oder ihn so nachhaltig
erdet, dass sie ohne Probleme auf der gesamten Klaviatur der Emotionen spielen kann, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Letzteres gelingt etwa bei „Ne Me Quitte Pas“ in Perfektion, einem jener
Chansons, die nach dem ganz großen Pathos förmlich lechzen und dem Pe Werner mit vollem Körpereinsatz bis hinunter auf den Bühnenboden all das gibt, was er braucht.
Doch ab und zu übertreiben Werner und Chastenier es auch. „Les Feuilles Mortes“, ohnehin schon eine getragene Ballade, wird dermaßen entschleunigt, dass die Spannung zwischen den Noten in breiten
Strömen abfließt, während bei der deutschen Übersetzung von Barbaras „La Solitude“, die Pe Werner in Gedichtform vorträgt, Gesten und Diktion zu überzeichnet wirken. Kleinigkeiten, die sich
vielleicht erst noch einspielen müssen, immerhin ist das Konzert in Bonn erst das dritte der Tournee. Und dafür läuft trotz genannter Kritik schon extrem viel wie am Schnürchen. Gut, Chastenier
und Werner kennen sich schon länger, er hat schon bei früheren Produktionen für sie in die Tasten gegriffen, ist ohnehin ein Meister seines Fachs – und für die famose Sängerin gilt das erst
recht. Da kann man nichts anderes erwarten.
Unerwartet ist dagegen das Repertoire, das so einige Überraschungen aufweist. Zwischen Jazz-Standards und Chansons tummelt sich ein erneut im Sprechgesang vorgetragenes „Mensch“ ebenso wie eine
Nummer von Gilbert O'Sullivan („Alone Again“) und Celine Dions „Here, There And Everythere“. Ergänzt wird diese Sammlung durch das ein oder andere lyrische Meisterwerk. Doch auch hier ist nicht
alles so, wie es scheint: Neben Rilkes „Einsamkeit“ und Erich Kästners „Sachlicher Romanze“ taucht doch tatsächlich auch ein Text von Bernd Stelter auf, der sich dank eines brillanten Vortrags
nahtlos in das Œuvre einfügt.
Natürlich greift Pe Werner auch auf ihre eigenen Songs zurück, die in der luftigen Reduktion ebenfalls gut zur Geltung kommen. „Sommer“ wird lediglich kurz angeschnitten, „Nur ein halber Mond“
wird bedacht – und „Kribbeln im Bauch“, an dem Pe Werner auch nach all den Jahren nicht die Lust verloren hat, das allerdings in der aktuellen Version den ursprünglichen Brausestäbchen-Esprit
weitgehend verloren hat. Was eigentlich zum sehnsuchtsvollen Text ganz gut passt. Das Publikum zeigt sich auf jeden Fall begeistert von dem exzellenten Bühnenpaar, von dem zurückhaltenden
Pianisten und der vielschichtigen und vielseitigen Sängerin, die sich an diesem Abend ohne Netz und doppelten Boden ganz weit vorwagen. Und im Großen und Ganzen gewinnen.
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