Die Welt ist verrückt geworden. Und faul. Der Gestank der Hysterie liegt in der Luft, völlig übertriebene Ängste werden permanent geschürt, die Spekulation wird zur neuen Tatsache und die Lüge zur neuen Wahrheit. Da kann man sich doch eigentlich als einigermaßen aufgeklärter und rational denkender Mensch nur erschießen. Oder summen. Philip Simon hat sich für letzteres entschieden. Der Kabarettist und Prix-Pantheon-Preisträger von 2011, der in seinem Stil (und zum Glück nicht in der Länge) immer mehr an Hagen Rether erinnert, verzweifelt zwar an all den Menschen, die lieber um Aufmerksamkeit buhlen als aufmerksam zu sein – aber aufgeben kann und will er nicht. Denn zwischen all den traurigen Spinnern, den Demagogen und Populisten, den Sesselpupsern und den Fanatikern muss es doch auch noch Hoffnung geben. Jene, die über den Tellerrand schauen, um die Ecke und außerhalb der sprichwörtlichen Box denken können. Die guten Spinner. Die, vor denen man keine Angst (also Anarchophobie) haben muss. Wenn man sie denn findet.
Leicht ist die Suche nicht. Wie auch? Man muss nur mal auf die Flüchtlingsdebatte schauen, die in Deutschland immer noch geführt wird, um so wie Simon am kollektiven Verstand zu zweifeln. Da machen sich Menschen Sorgen, die sie nicht hätten, wenn sie sie sich nicht machen würden, befürchten eine Islamisierung des Abendlandes durch die gerade mal fünf Prozent Muslime im Land, schimpfen über Wirtschaftsflüchtlinge – und sind es doch doch selbst, die von den guten in die billigen Läden abwandern und so ein System der Ausbeutung unterstützen, das letztlich nur dazu führen wird, dass noch mehr Unterdrückte im Westen eine neue Zukunft suchen. Realitätsflüchtlinge, die sich darüber aufregen, dass Millionen für Integrationskurse ausgegeben werden und im gleichen Atemzug die fehlende Integration bemängeln. Da schaut Simon wieder auf die Pistole in seiner Hand. Aber nein, das wäre zu einfach. Die ist ein Sprachrohr mit Argumenten, die man sich nicht durch den Kopf gehen lassen muss. Oder will.
Dann doch lieber summen. Geht sogar ganz einfach, selbst für jene, die durch zu viel Zucker müde und antriebslos geworden sind. „Zucker verursacht Deutschland“, postuliert Simon. Bitter. Aber wahr. Ähnliches ließe sich über die Religion sagen, die der 40-Jährige ebenfalls ins Visier nimmt. Dabei ist es die Institution, die das eigentliche Problem ist, nicht der Glauben. Der kann ja bekanntlich Berge versetzen. Oder Feuer entfachen. Irgendwann in grauer Vorzeit hat sich mal jemand mit zwei Stöcken hingesetzt und sie aneinander gerieben, im festen Glauben, dass er damit etwas bewirken kann. Ein Spinner. Aber einer von den guten. Und von denen, davon ist Philip Simon überzeugt, kann man nicht genug haben. Trotz oder gerade wegen der Anarchophobie.
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