Es ist ein Traum aus Schmetterlingen und Seifenblasen, Elektrohunden und Luftakrobaten, Schlangenfrauen und natürlich vielen Clowns: Anlässlich seines 40-jähigen Bestehens hat der Circus Roncalli eine Show der Superlative aufgestellt, atemberaubend und bezaubernd, herrlich skurril und ebenso poetisch wie die legendären Programme des Circque du Soleil. Im wahrsten Sinne des Wortes eine Reise zum Regenbogen und darüber hinaus. Derzeit residiert die Truppe um Bernhard Paul im Bonner Stadtgarten – und reiht in perfekt choreographierten Nummern auf höchstem Niveau einen Höhepunkt an den anderen. Ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Besonders stolz dürfte Bernhard Paul auf seine beiden Töchter sein, die in der Jubiläumsshow Premieren feiern können. Während die 18-jährige Lili mit ihrer Kontorsionsakrobatik debütiert und mit
ihren beeindruckenden, eleganten Verrenkungen wahrscheinlich dem ein oder anderen Mann den Kopf verdreht, ist ihre ältere und nicht minder umwerfende Schwester Vivi erstmals am Luftring zu sehen
und setzt sogleich Maßstäbe. Akrobatik, Musik und Effekte vereinen sich zu einer formvollendeten Darbietung, die mit zum Besten gehört, was unter der Zeltkuppel zu sehen ist. Selbst die
unglaubliche Kunst von Trapez-Artistin Lisa Rinne, dieser einzigartige Flirt mit der Schwerelosigkeit, kommt kaum gegen die exzellente Inszenierung der Paul an. Was nur zeigt, auf welchem Level
sich die Show bewegt. Denn die technisch makellosen Salti und Schrauben, die Rinne von ihrem schwingenden Holzgriff aus in die luftigen Höhen der Arena wagt, würden überall auf der Welt das
Publikum ein ums andere Mal nach Luft schnappen lassen. Wahnsinn. Und Roncalli hat noch mehr zu bieten.
Es gibt so viel, was lobend erwähnt werden muss. Die Mitglieder des Circustheaters Bingo zum Beispiel, die mit viel Sinn für Dramatik und Tanz einige furiose Nummern in die Manege bringen,
darunter eine Pole-Akrobatik für die Herren sowie eine von Kraft und Beweglichkeit gleichermaßen strotzende Körperformen-Nummer für drei Grazien. Dann Ty Tojo, der zu den aufregendsten
Nachwuchsjongleuren der Erde gehören dürfte und quasi zum Aufwärmen drei Bälle mit nur einer Hand in der Luft hält; später jongliert der mehrfache Weltrekordhalter auch so nebenbei hinter seinem
Rücken.
Nicht ganz so spektakulär, dafür aber herrlich märchenhaft sind derweil die beiden Auftritte von Paolo Carillion. Der Steampunk-Clown mit dem großen Herzen erweckt unter anderem einen Roboterhund
zum Leben und begeistert mit einem Schauer riesiger Seifenblasen; die liebevollen Nummern lassen niemanden kalt und gehören zu den emotional stärksten Darbietungen des Tages. Die anderen
Spaßmacher, schon immer eine feste Größe bei Roncalli, lassen es dagegen etwas derber zugehen, ohne allerdings unter die Gürtellinie zu zielen. Beatboxer Robert Wicke bleibt noch recht brav,
bringt aber immerhin das gesamte Publikum zum Singen, während KGB-Clown Eddy Neumann zusammen mit Bernhard Pauls Neuentdeckung Chistirrin sowohl beim Klassiker mit der instabilen und
unkontrollierbaren Napoleon-Marionette als auch bei einer charmanten Musiknummer typisch körperbetonten Slapstick mit brillanter Mimik paart. Weitere Nummern kommen hinzu, Seiltänzer,
Schleuderbrett-Artisten und Pferdeflüsterer treten auf und weben so einen Genuss, der seinesgleichen sucht. Schöner kann wirklich Zirkus kaum sein.
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