Einmal Weltraum und zurück. Die Triebwerke wummern in ohrenbetäubenden Rhythmus, die Computer piepen und fiepsen wie einst bei der Raumpatrouille Orion, und aus dem UFO-Radio dringen
Synthi-Melodien. Niels Klein und seine Tubes and Wires sind gestartet, um in den unendlichen Weiten des Klangs neue Formen zu finden – und tauchen dabei an allen nur denkbaren Orten auf. Jetzt
hat es das Quartett in die Aula der Universität Bonn verschlagen, wo sie im Rahmen des Jazzfests ihrer Passion nachgehen und das Publikum kurzerhand mitnehmen. Ob dieses will oder nicht.
Der verschrobene Jazz, den Käpt'n Klein und seine Crew pflegen, ist nicht immer ohne weiteres zugänglich. Vor allem das Saxofon- und Klarinettenspiel des Bandleaders verlässt gerne mal die
schützenden Hüllen der Harmonie, wird verzerrt und durch den digitalen Fleischwolf gedreht, schnarrt in den Basslagen oder imitiert mittels Overdubs den Doppler-Effekt. In diesen Momenten mutiert
Klein zum Alien, zum Fremdkörper, den Pianist Lars Duppler, Gitarrist Hanno Busch sowie der famos rockende Schlagzeuger Jonas Burgwinkel irgendwie einfangen müssen. Das gelingt nicht immer, was
etwa bei „Sweep“ zu einem vollständigen Kontrollverlust führt, so dass das musikalische Raumschiff führerlos durch die Dissonanzen taumelt. Ziehen die Vier allerdings an einem Strang, entsteht
Bemerkenswertes, etwa das sphärische „Perpetual Waves“ oder das reizvolle „Erase“, mit dem das erleichterte Publikum am Ende wieder in die Realität entlassen wird.
Dem abenteuerlichen Sternenritt hat Jazzfest-Intendant Peter Materna mit einem Auftritt von Rebekka Bakken einen irdischen Genuss für die Ohren entgegengesetzt. Die Norwegerin dabei zunächst fast
schon zu brav, setzt eine Pop-Nummer an die nächste, lässt dann aber ihrer fantastischen Stimme Raum – und landet beim Blues. Statt eines weichen, warmen Organs erklingt auf einmal ein raues
Röhren aus tiefster Seele, so als ob Bakken den Samt heruntergerissen und den harten, vom Leben gezeichneten Fels darunter freigelegt hat. Diese schauspielerische Genialität hat die 47-Jährige
schon seit jeher ausgezeichnet, und doch ist es immer wieder beeindruckend, sie auf der Bühne zu erleben. Zumal ihre wahre Wandlungsfähigkeit erst nach und nach zu Tage tritt. Die Frau kann
einfach alles singen. Sogar Tom Waits. Dessen knarzenden Stil, der irgendwo zwischen Kuriositätenkabinett, Lotter-Zirkus und Whiskeybar anzusiedeln ist, adaptiert Bakken mit einer Leichtigkeit,
die ihresgleichen sucht. Den Höhepunkt setzt die Sängerin allerdings mit einem norwegischen Kirchenlied, das sie zunächst alleine anstimmt und das später dank der exzellenten Band zu einem
epischen und atemberaubenden Monument erwächst. Wozu da noch nach den Sternen streben, wenn die schönsten Momente doch so nah sein können.
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