Man könnte die Brotfabrik fast schon als das Klanglabor des Bonner Jazzfests bezeichnen: Immer wieder gehen Künstler in dem Beueler Kulturzentrum an die Grenzen des Hörbaren oder sogar – wie im vergangenen Jahr Sidsel Endresen – über selbige hinaus. Aus irgendeinem Grund scheint der Saal die Dekonstruktion von Melodien und Rhythmen besser zu akzeptieren als andere Veranstaltungsorte, fördert und fordert die Freiheit, neue Wege zu gehen und Experimente zu wagen. In diesem Jahr hat sich der Trend mit dem Auftritt von Christopher Dells Trio-Projekt DRA fortgesetzt, das mit scheinbarem Chaos dem Publikum einiges abverlangt. Doch der Wahnsinn hat Methode. Und Erfolg.
Die hochkomplexen Kompositionen des Vibraphonisten Dell sind nur auf den ersten Blick ein Wirrwarr von Rhythmen und Formen. Hinter der vermeintlichen Aufhebung sämtlicher Taktarten steckt in Wahrheit ein ausgeklügeltes Konzept, Ergebnis einer „Forschung am Machbaren“, wie der 51-Jährige selbst bekennt. Die Themen wechseln kontinuierlich Tempo und Metrum, sind immer im Fluss und folgen doch einem festen Arrangement, das sowohl von den Musikern (neben Dell noch Bassist Christian Ramond und Drummer Felix Astor) als auch von den Rezipienten eine enorme Konzentration abverlangt. „Zählen ist für uns der Kern unserer Performance“, gesteht Dell – nicht umsonst tragen die einzelnen Stücke nur Nummern statt Titeln. Wer da nicht aufpasst, ist eben raus.
Im Kontrast dazu ist die Musik von Organic Underground weitaus zugänglicher. Saxofonist Heiner Schmitz, der in diesem Jahr schon beim Auftaktkonzert mit der Jazzkantine das Festival bereicherte, hat herrlich groovende Stücke geschrieben und sich dabei von der jeweiligen Tageszeit inspirieren lassen. Der „Friday Jazz Dance“ folgt auf „Monday after Work“, rockig, funkig, druckvoll und angelehnt an die wegweisenden Fusion-Experimente von Eddie Harris. Schmitz und Posaunist Ludwig Nuss jonglieren dabei geschickt mit den knackigen Melodielinien, die mitunter auch von Hammond-Organist John Hondorp und Gitarrist Martin Freske aufgenommen werden, während Ralf Gessler am Schlagzeug entsprechend Gas gibt. Die organische Dynamik kommt an – ebenso wie die Gehirnakrobatik von DRA. In beiden Fällen spendet das Publikum tosenden Applaus.
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