Eigentlich lässt sich dieser Abend nur als vollkommen verrückt bezeichnen. Und als absolut brillant. Genie und Wahnsinn sind ja dem Sprichwort nach zwei Seiten der selben Medaille – im Pantheon haben Sebastian Rüger und Frank Smilgies alias Ulan & Bator nun bewiesen, wie sehr dies zumindest auf sie selbst zutrifft. Denn was die beiden Mützenträger mit ihren zwischen Dadaismus und feinsinnigem Kabarett changierenden „Irreparabeln“ auf die Bühne bringen, ist ein Meisterwerk der Doppeldeutigkeit, in dem permanent überaus ernste Themen unter brachialem Blödsinn durchschimmern, eine perfekte Mischung aus Gaga- und Aha-Momenten und vor allem eine Marathon-Strapaze für sämtliche Lachmuskeln.
Die Übergänge zwischen scheinbar sinnfreien Lautgedichten und anspruchsvollen Pointen gelingen den beiden Chaoten dabei mühelos und sind mitunter so dezent, dass sie schon wieder der
Vergangenheit angehören, wenn man sie endlich wahrgenommen hat. Besingen sie im einen Moment einen Zwerg aus Käse in einem Kühlschrank, der den Zugang zur Wurst erschwert, sind sie im nächsten
schon auf dem Weg in den Park, um Drohnen mit Personalausweisen zu füttern, nur um unterwegs festzustellen, dass es auf dem Mond Parkplätze ohne Ende gibt. Dazu kommen durchorchestrierte
Regierungserklärungen zur so genannten „Schnick-Schnack-Schnuck“-Krise, der Besuch im größten Sockenkaufhaus der Welt, Kindervornamen als Werbeflächen und zwischendrin ein kleiner Auszug aus
Schillers „Don Carlos“. Warum? Spielt keine Rolle. Wahrscheinlich einfach nur, weil es geht.
Am stärksten sind Ulan & Bator allerdings dann, wenn sie den Nonsens in ein ernsthaftes Gewand pressen und ganz ohne die sonst bei ihnen so beliebten Grimassenschneidereien groteskes Theater
in Reinform präsentieren. Ihr Literaturtalk offenbart die Phrasendrescherei mancher vermeintlicher Intellektueller, ihre Selbstdemütigungsyogastunde, in der die Chakren auf das professionelle
Management der eigenen Marke und die Unterwürfigkeit gegenüber der Vorgesetzten vorbereitet werden, zur Abrechnung mit Esoterik und Hierarchien gleichermaßen. Was auch immer aus diesen Mützen ins
Gehirn sickert, entfaltet in diesen Szenen seine volldröhnende Wirkung. Gnadenlos komisch und herrlich absurd, zugleich aber überaus politisch greift das Duo Zwerchfell und Verstand gleichermaßen
an und versteht es in den besten Momenten sogar, ganz im Sinne von John Cage Stühlerücken zur Kunst zu erheben. Das ist Verrücktheit zum Quadrat. Und Genie hoch vier.
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