Sarah Connor ist nass. Und anscheinend glücklich. Ausgelassen wiegt sie sich im Sommerregen, der gerade über dem Bonner KunstRasen niedergeht, streckt das Mikro in Richtung Menge, fordert es zum Mitsingen auf, zieht es in seinen Bann und lässt so das Wetter vergessen. Wen kümmern schon die dunklen Wolken? Die sind eh nach ein paar Minuten wieder verschwunden. Sarah Connor aber bleibt. Zumindest noch ein bisschen. So lange ihr viertes Kind sie lässt. Im Januar ist es zur Welt gekommen, bestimmt also noch den gesamten Tagesablauf der 37-Jährigen. Das Konzert ist insofern eine Art Babypause. Eine, die Sarah Connor nutzt und letztlich genau da weitermacht, wo sie im vergangenen Jahr aufgehört hat: Bei der Verbindung von deutschem Soulpop und innovativen Arrangements ihrer alten Hits, die das Publikum elektrifiziert und begeistert.
Schon 2016 hatte Sarah Connor eine gute Show abgeliefert, dank einer herausragenden Band, einer bemerkenswerten stilistischen Bandbreite und jeder Menge Energie. Diesmal ist sie noch besser. Vor
allem die generalüberholten englischen Stücke sind brillant: Bei „Bounce“ nähert sich Sarah Connor dem Hip Hop an, bei „From Zero To Hero“ dem Funk und bei der eigentlich extrem schmalzigen
Ballade „From Sarah With Love“ dem Bossa Nova. Klasse. Auch gerockt wird mitunter, und genau in diesen Momenten spürt man, was für eine Wandlung die charmante Blondine durchgemacht hat. Die
härtere Gangart steht ihr gut, wirkt nicht aufgesetzt oder gekünstelt, sondern authentisch und ehrlich. Aus der Kunstfigur von einst ist eine echte Künstlerin hervorgegangen, die in den besten
Momenten tatsächlich Abstand zum Pop-geprägten Mainstream gewinnt und ihr gesamtes Potenzial offenbart.
Und dann wären da noch die neuen Songs. Die auf deutsch, das Ergebnis von Sarah Connors Auseinandersetzung mit ihrer Muttersprache. Lieder über ihre Kinder („Wie schön du bist“), über ihre
Beziehungen („Wenn du da bist“), über Eifersucht („Kommst du mit ihr“), Frust („Anorak“) und Lebensfreude („Mit vollen Händen“). Musikalisch stark, zumal das Rosenstolz-Produzenten-Trio Peter
Plate, Ulf Leo Sommer und Daniel Faust in den meisten Fällen die Brechstange zu Hause gelassen und vielmehr auf Fingerspitzengefühl vertraut hat. Ganz anders bei den Texten, die doch allzu oft in
den Kitsch abrutschen, triefend vor Gefühlsduselei und Herzschmerz-Romantik. Das geht besser. Andererseits stört es das Publikum überhaupt nicht – ausgelassen singt es die Texte mit, erweist sich
bei diesen Titeln sogar weitaus souveräner als bei einem kleinen Ausflug zu Eric Claptons „I Shot The Sheriff“. Und irgendwie passt die in den Zeilen offenkundige Emotionalität auch zu Sarah
Connor, die Sängerin und Mutter zugleich ist. Der eigene Nachwuchs ist natürlich Dauerthema, doch auch die jüngsten Fans bedenkt die 37-Jährige nur allzu gerne. Die fünfjährige Lynn holt sie
sogar kurz auf die Bühne, um mit ihr ein paar Worte zu wechseln. Ohnehin gibt Sarah Connor sich überaus volksnah, tauscht sich mit dem Publikum aus, reagiert auf Schilder (die sie allerdings nach
eigener Aussage häufig irritieren würden – und mit Blick auf die 2005 verkorkste Nationalhymne bittet sie augenzwinkernd darum, sie nicht allzu sehr abzulenken) und gibt so der Menge das Gefühl,
ernst genommen zu werden. Was längst nicht jeder Künstler hinbekommt. Schon alleine dafür gebührt Sarah Connor Respekt. Und das dann auch noch in ihrer Babypause. Da wird ihr auch verziehen, dass
sie die zwei Stunden nicht ganz füllt – die Mutterpflichten gehen eben vor.
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