Zucchero: Zucker mit Hut

Die Sonne geht gerade unter, als Zucchero und seine Mannen die Bühne des KunstRasens verlassen. Die glorreichen 13, nach der musikalischen Befreiung einer weiteren Stadt von dannen ziehend. Ein passendes Bild. Es fehlen nur die Pferde. Andererseits geht es auch so, zumal Adelmo „Zucchero“ Fornaciari nicht zuletzt seit des aktuellen Albums „Black Cat“ ein Cowboy ist, der alle Stile zu reiten vermag: Den Soul und den Blues natürlich, den er in seiner Heimat maßgeblich geprägt hat und der tief in seiner Seele verwurzelt ist; die Country-Musik der Südstaaten, mit der ihn seine Liebe zu Westernfilmen verbindet; und natürlich den klassischen Rock, den er in Italien quasi personifiziert.

Selbst die Oper ist ihm nicht fern, wie sein Duett „Miserere“ mit Luciano Pavarotti etwa eine Stunde zuvor bewiesen hat – dieser wurde an diesem Abend per Videoleinwand von den Toten auferweckt und schmetterte einmal mehr auf die ihm eigene Weise die Verse in die Menge, sehr zur Freude der rund 3700 Zuschauer, die sich Zucchero bei dem grandiosen Wetter nicht entgehen lassen wollten. Und ihre Entscheidung nicht bereuten. Denn der Maestro legte seinen Fans eine zweieinhalbstündige Zuckerinfusion, die keine Wünsche offen ließ.

 

Dabei ist Zucchero ebenso sehr Barde wie Rocker, einer, der nur zu gerne auf der Klaviatur der Gefühle spielt und mit seiner Reibeisenstimme Tipps in Liebesdingen gibt. So wie auch in Bonn. Schmachtend stürzte er sich in die gefühlsduseligen Tiefen der italienischen Romantik, überschritt dabei immer wieder die Grenze zum Kitsch und verlor sich doch nicht in diesem trüben Reich, konnte er sich doch stets auf seine herausragende Band verlassen, die ihm bei all seinen Ausflügen als Rettungsanker diente. Die Besetzung ist ohnehin hochkarätig, unter anderem stehen mit Gitarristin Kat Dyson und der schlichtweg überwältigenden Drummerin und Perkussionistin Queen Cora Dunham zwei Musiker auf der Bühne, die schon mit Prince und Maceo Parker gearbeitet haben. Dazu Bassist Polo Jones, der schon  Eric Clapton und Ray Charles begleitete, sowie Fusionorganist Brian Auger, selbst eine Musiklegende, der immer wieder in kleineren Soli zaubern durfte; und nicht zu vergessen eine starke Bläsertruppe, die mitunter herrlich schmetterte, aber auch in den ruhigeren Stücken feine Akzente zu setzen vermochte. Herrlich und vor allem erstaunlich vielseitig. All das entschädigte für das kleine Kommunikationswirrwarr im Vorfeld: Entgegen einiger offizieller Ankündigungen im Internet hatte Zucchero kurzfristig beschlossen, schon um 19 Uhr auf die Bühne zu gehen, so dass etliche Besucher die ersten Stücke verpassten. Ärgerlich, doch angesichts des 140-minütigen Konzerts keine Katastrophe. Zumal das Beste eh erst zum Schluss kam, darunter einige fetzige und überaus einfallsreich arrangierte Rock- und Bluesnummern sowie natürlich das unsterbliche „Senza Una Donna“, mit dem Zucchero Weltruhm erlangte und bei dem zahlreiche Gäste ihre Herzen in Richtung Bühne fliegen ließen.

Am Ende dann der Abmarsch in den Sonnenuntergang. Der Zylinder, ein Markenzeichen Zuccheros, sitzt felsenfest auf den inzwischen schweißnassen Haaren, ein zufriedenes Lächeln umspielt sein Gesicht. Mission erfüllt, Bonn gerockt. Weiter zur nächsten Stadt. Noch bis Ende Oktober tourt der 61-Jährige durch die schier endlosen Weiten Europas. Da haben die glorreichen 13 noch einiges zu tun.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0