Ein Hauch von kindlichem Staunen liegt in der Luft. Auf der Bühne lässt Magier Mika Chao gerade ein Tuch in einer Flasche tanzen, steigt jetzt sogar ins Publikum, gibt das Kunststück in Kinderhände und hat das Publikum damit vollends in der Hand. Es ist ein Moment voller Poesie und Faszination, in dem Wünsche Wirklichkeit zu werden scheinen – ein Moment, der damit leider eine Ausnahme im aktuellen Varietéspektakel „Circque de Tuque – In Between“ darstellt. Die Show, die wie in jedem Sommer im Pantheon residiert und dort noch bis zum 26. August zu sehen ist, präsentiert zwar einmal mehr exzellente junge Artisten, die Zeremonienmeister und Initiator Stephan Masur auf der ganzen Welt gefunden hat, lässt es allerdings zugleich an einer übergeordneten Dramaturgie fehlen, die die einzelnen Nummern zu einem zauberhaften Ganzen verbindet. Stattdessen bleibt sie eine Patchwork-Revue, in der Comedy und Travestie auf Konfrontationskurs zu lyrischen Kunststücken gehen. Was eher kindisch denn kindlich wirkt.
Die durchweg männlichen Akrobaten teilen sich im Großen und Ganzen in zwei Lager auf: In dem einen finden sich jene, die ihre Kunst für sich sprechen lassen, allen voran der bereits erwähnte Chao
sowie Gummimensch Kalle Pikkuharjiu, der mit mit einer hervorragend choreographierten Darbietung seiner Biegsamkeit verblüfft. Im anderen tummeln sich derweil etwas schrillere, grellere Figuren,
die mit Crossdressing und übertriebener Affektiertheit auf sich aufmerksam machen. Keine Frage, die Hula-Hoop-Nummer von Oliver Smith Wellnitz oder der Drahtseilakt von Francois Bouvier werden
durch Stöckelschuhe deutlich anspruchsvoller, passen aber schlichtweg nicht zu der poetischen Bühnensprache einiger anderer Artisten. Noch auffälliger ist dies bei Kimmo Hietanens Schlapp- und
Springseil-Darbietungen, die der Finne im Mädchenkleid mit Schleife im Haar und auf der großen Bühne verschwindendem Schoßhund absolviert. Dieser Ansatz ist weder frivol noch bezaubernd, ist
nicht aufregend oder provokant, nicht sensibel oder zärtlich, sondern lediglich albern.
Es sind diese Elemente, die den Fluss der Show nachhaltig stören, ebenso wie einige Fehlentscheidungen von Regisseur David Severins hinsichtlich der Gesamtkonzeption. Schon am Anfang zieht sich
ein viel zu langes Tanz-Intro wie Kaugummi, so dass „Cirque de Tuque“ einfach nicht in Fahrt kommt – ein Schleppseil-Balance-Akt und eine Bodenakrobatik ohne klare Linienführung direkt im
Anschluss helfen ebenfalls nicht weiter. Auch sind vor allem die kleinteiligen Beiträge wie etwa Stephan Masurs wirklich schöne Seifenblasen-Spielerei im großen Saal des Pantheons nicht
sonderlich gut wahrzunehmen, verschwinden in der Weite des Raumes und fesseln nur jene, die direkt am Bühnenrand sitzen. Dazu kommt das ständige Schwanken zwischen Travestie-Revue und
Programmtheater, das sich auch in der mal feinfühligen und mal bemüht komischen Moderation von Stephan Masur widerspiegelt (Pointen über Messdiener und die Vorhaut Christi inklusive) und das
letztlich dazu führt, dass man nur eine Ahnung von jenen fantastischen Welten erhält, die die Artisten dem immer wieder begeisterten Publikum zu eröffnen versuchen. Mehr als ein gelegentlicher
Blick durchs Schlüsselloch ist da leider nicht drin. Zum Staunen reicht das. Aber eben nicht zum Träumen.
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